Stell dir vor: Sommer in Hamburg, Mitte der 1960er Jahre. Die Sonne lacht, die Luft riecht nach Alster und hanseatischer Freiheit. Kein Smartphone, das nach Aufmerksamkeit giert, kein Flachbildschirm, der die Welt in dein Hotelzimmer zwingt, und keine Animation, die dich zum Mitmachen überredet. Stattdessen: richtiger Urlaub. Ein Urlaub, der sich aufs Wesentliche konzentrierte: das Erlebnis, die Bewegung, die Ruhe und das echte Miteinander.
Die 60er Jahre in Hamburg waren eine Zeit des Aufbruchs, aber auch eine Zeit, in der das Reisen noch eine andere Qualität hatte. Es ging nicht darum, unzählige Fotos für Instagram zu schießen oder jede Minute durchzuplanen. Es ging ums Sein.
Sommer, Sonne, Stadt und See
Das Herzstück eines Hamburger Sommerurlaubs war damals wie heute die einzigartige Verbindung von Großstadterlebnis und Natur. Man verbrachte die Tage nicht in klimatisierten Malls, sondern draußen, wo das Leben spielte:
- Wandern und Spaziergänge: Die grünen Lungen Hamburgs waren damals noch unberührter und boten unzählige Möglichkeiten für ausgedehnte Spaziergänge. Entlang der Alsterpfade, durch den weitläufigen Stadtpark oder in den Walddörfern im Norden der Stadt konnte man die Seele baumeln lassen. Ohne GPS und Schrittzähler war jeder Weg ein kleines Abenteuer, das die Sinne schärfte und den Kopf freimachte. Man entdeckte versteckte Bänke, lauschige Cafés oder einfach nur die Schönheit der Natur in ihrem eigenen Rhythmus.
- Baden in Reinheit: Die Alster und ihre zahlreichen Nebenflüsse waren beliebte Badestellen. Mit einem Sprung ins kühle Nass erfrischte man sich an heißen Tagen, gefolgt von einem Sonnenbad auf einer der vielen Liegewiesen. Oder man fuhr hinaus an die Elbe, wo sich an den Sandstränden von Övelgönne oder Blankenese (noch ohne die heutige Bebauungsdichte) eine entspannte Strandatmosphäre abseits des großen Trubels fand. Die Strände waren Treffpunkte für Familien und Freunde, man baute Sandburgen, spielte Ball und lauschte dem Rauschen des Wassers.
- Bootsvergnügen pur: Hamburg ohne Wasser ist undenkbar. In den 60ern gehörte ein Segelausflug auf der Alster oder eine Kanu-Tour auf einem der vielen Kanäle zum Pflichtprogramm. Man mietete ein Ruderboot und ließ sich gemütlich treiben, beobachtete die Schwäne und genoss die Ruhe auf dem Wasser. Für die Mutigeren gab es die Fahrt mit einem der Hafenfähren, die einen tief in das maritime Herz der Stadt führten, vorbei an geschäftigen Werften und riesigen Frachtern. Das waren keine inszenierten Touren, sondern authentische Einblicke in das Arbeitsleben des Hafens.
Die Kunst des „Einfach Seins“
Was diesen Urlaub so besonders machte, war die Abwesenheit von allem, was uns heute scheinbar „unterhalten“ muss. Es gab keine digitalen Ablenkungen:
- Kein Smartphone: Die Gespräche am Frühstückstisch waren echt, der Blick ging nach draußen, nicht auf einen Bildschirm. Man las Zeitungspapier, tauschte sich über Pläne aus oder genoss einfach die Stille.
- Kein Flachbildschirm: Abends spielte man Karten, las ein Buch oder hörte Radio. Man verbrachte bewusste Zeit miteinander, erzählte Geschichten oder plante den nächsten Tag. Die Unterhaltung kam von innen, nicht von außen.
- Keine Animation: Niemand zwang dich zu Aqua-Gymnastik oder Bingo. Die Tagesgestaltung lag in den eigenen Händen. Man war frei, spontan zu sein, einen unerwarteten Weg einzuschlagen oder einfach nur dazusitzen und die Welt zu beobachten.
Dieser Urlaub war ein bewusster Rückzug vom Alltag, eine Entschleunigung in Reinform. Es ging darum, sich wirklich zu erholen, die Umgebung mit allen Sinnen wahrzunehmen und die Zeit mit den Liebsten zu genießen – ungestört, ungefiltert und ohne den Druck, ständig „erreichbar“ oder „perfekt“ sein zu müssen.
Ein Sommerurlaub in Hamburg in den 60ern war eine Erinnerung daran, dass das wahre Glück oft im Einfachen liegt: im Wind im Haar beim Radfahren, im Geruch der Elbe, im Lachen der Kinder am Strand und in der ungeteilten Aufmerksamkeit für den Moment. Eine Sehnsucht, die in unserer heutigen, überdigitalisierten Welt vielleicht aktueller ist denn je.