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In der Namenswahl für ihre Kinder suchen Eltern nach Individualität, Schönheit oder einer tiefen Bedeutung. Doch in Deutschland hat sich seit den 1990er Jahren eine bemerkenswerte soziolinguistische Dynamik entwickelt, die aus manchen Vornamen unwillkürlich einen sozialen Stempel gemacht hat: das Phänomen des Kevinismus.

Namen wie Kevin, Justin, Chantal oder, aus einer etwas anderen Schicht stammend, Torben und Malte, tragen heute eine überraschend starke Klischeebelastung mit sich, die – und das ist das Erstaunliche – oft in der Realität bestätigt wird.

Die Entstehung des Klischees

Die Namen, die heute mit diesen Klischees belegt sind, haben eines gemeinsam: Sie waren oft Modeerscheinungen (durch US-amerikanische oder französische Popkultur inspiriert) in sozialen Schichten, die als bildungsferner oder sozial benachteiligt gelten.

Die Namen selbst sind natürlich neutral, doch die Muster der Namenswahl signalisieren etwas über das soziokulturelle Kapital der Eltern:

  • Amerikanische Namen (Kevin, Justin): Wurden oft gewählt, weil sie modern und international klangen, ohne Rücksicht auf die etablierten deutschen Namenskonventionen.
  • Französische Namen (Chantal, Cheyenne): Ähnlich, wurden oft in einer phonetisch vereinfachten oder unkorrekten Schreibweise vergeben, was ihre Schichtenzugehörigkeit weiter kennzeichnete.
  • Der Akademiker-Kontrast (Torben, Malte): Diese Namen kommen aus einer anderen Ecke, sind oft norddeutsch, aber wurden in den 90er-Jahren in bestimmten bürgerlichen Akademikerkreisen populär, um „Individualität“ zu signalisieren – was die Namen dort wiederum zum Klischee der sozialen Elite machte.

Die Psychologie der Selbsterfüllenden Prophezeiung

Das Erstaunliche ist, dass die Klischees scheinbar „erfüllt“ werden. Dies hat wenig mit dem Klang des Namens, sondern viel mit der psychologischen und sozialen Reaktion darauf zu tun:

  1. Erwartungshaltung der Lehrer: Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass Lehrer bei Schülern mit stereotypen Namen (z.B. Kevin) unbewusst niedrigere Erwartungen an Leistung und Verhalten haben. Ein Lehrer tendiert eher dazu, ein negatives Verhalten bei „Kevin“ zu vermuten oder es weniger nachdrücklich zu korrigieren, weil es seiner Erwartung entspricht.
  2. Soziale Vorurteile in Bewerbungen: Unfaire Diskriminierung beginnt schon bei der Bewerbung. Namen, die mit einem niedrigeren sozialen Status assoziiert werden, führen nachweislich zu einer geringeren Wahrscheinlichkeit, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden.
  3. Die Selbstwahrnehmung des Kindes: Wenn ein Kind oder Jugendlicher von frühester Kindheit an das Gefühl vermittelt bekommt, dass sein Name mit „Problemen“, „Bildungsferne“ oder „Assi-Verhalten“ assoziiert wird (oft durch Medien und Spott), kann dies seine Selbstwahrnehmung prägen. Das Individuum passt sich unbewusst den sozialen Erwartungen an, die an seinen Namen geknüpft sind.

Die wahre Tragödie

Die Mütter wählten die Namen nicht, um ihren Kindern bewusst einen schlechteren Start zu geben, sondern um ihnen oft eine vermeintlich coole oder moderne Identität zu verleihen. Die Ironie ist, dass die Namen durch ihre unbewusste Massenverbreitung in bestimmten Schichten zu einem ungewollten sozialen Filter geworden sind.

Die Klischees sind nicht das Problem der Namen selbst, sondern der sozialen Ungleichheit, die sie abbilden. Ein Name wie Kevin hat in Deutschland die unglückliche Rolle eingenommen, soziale Herkunft und Vorurteile auf den ersten Blick sichtbar zu machen, was seine Träger in einer Spirale der ungleichen Behandlung festhalten kann.