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In der weiten Landschaft Osteuropas, wo die Sommer heiß und die Winter lang sein können, gibt es ein Getränk, das so tief in der Kultur verwurzelt ist wie der Roggen im Acker: Kwas (ausgesprochen „Kwas“ oder „Kvass“). Mehr als nur ein Durstlöscher, ist Kwas ein lebendiges Stück Geschichte, ein Symbol für bäuerlichen Einfallsreichtum und ein Zeugnis der Fermentationskunst.

Eine Reise durch die Jahrhunderte: Die Geschichte des Kwas

Die Ursprünge des Kwas verlieren sich im Nebel der Zeit, doch erste schriftliche Erwähnungen finden sich bereits in slawischen Chroniken des 10. Jahrhunderts. Fürst Wladimir der Große soll nach seiner Taufe im Jahr 988 befohlen haben, Kwas und Honig an sein Volk zu verteilen – ein Zeichen seiner Bedeutung schon damals. Ursprünglich war Kwas oft stärker und dicker als das heutige Getränk, manchmal fast wie ein Dünnbier. Seine Herstellung war eine Notwendigkeit: Altes Brot wurde nicht weggeworfen, sondern zu einem nahrhaften, leicht berauschenden und verdauungsfördernden Getränk fermentiert.

Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich Kwas zum Volksgetränk schlechthin. Er war überall präsent: auf den Feldern als Durstlöscher der Bauern, in den Städten als Erfrischung für jedermann, in den Klöstern als Fastengetränk. Jede Familie hatte ihr eigenes Rezept, oft von Generation zu Generation weitergegeben. Der Name „Kwas“ leitet sich übrigens vom slawischen Verb „kwasit'“ ab, was so viel wie „säuern“ oder „fermentieren“ bedeutet – eine treffende Beschreibung seines Herstellungsprozesses.

Von Russland bis ins Baltikum: Die Verbreitung von Kwas

Obwohl Kwas oft als „russisches Nationalgetränk“ bezeichnet wird, ist seine Verbreitung weitaus größer und umfasst fast den gesamten osteuropäischen Raum. Er ist ein fester Bestandteil der Küche und Kultur in:

  • Russland: Hier ist er nach wie vor extrem populär. Im Sommer sieht man oft die charakteristischen gelben Kwas-Tankwagen auf den Straßen, aus denen das frische Getränk direkt in Krüge oder Flaschen gezapft wird. Industriell abgefüllter Kwas ist in jedem Supermarkt zu finden.
  • Ukraine: Auch in der Ukraine hat Kwas eine tiefe Tradition und ist ein Nationalgetränk.
  • Belarus, Polen, Litauen, Lettland, Estland, Moldawien: In all diesen Ländern gibt es ähnliche Varianten des Brotbiergetränks, oft unter leicht abweichenden Namen (z.B. „Gira“ in Litauen, „Kali“ in Estland).
  • Weitere Regionen: Auch in Teilen Chinas, Finnlands, Kasachstans und Usbekistans sind kwasähnliche Getränke bekannt.

Ein klassisches Kwas-Rezept: Selber machen leicht gemacht

Die Zubereitung von Kwas ist überraschend einfach und erfordert nur wenige Zutaten. Das Grundprinzip ist die Fermentation von Roggenbrot.

Zutaten:

  • 500 g altes, getrocknetes Roggenbrot (ohne Kümmel oder andere starke Gewürze, am besten Schwarzbrot oder Pumpernickel)
  • 4-5 Liter Wasser
  • 100-150 g Zucker (je nach Geschmack)
  • 5-10 g frische Hefe (oder 1/2 Päckchen Trockenhefe)
  • Optional: Eine Handvoll Rosinen (für die natürliche Kohlensäure und Süße), Minzblätter, Johannisbeeren oder andere Früchte für den Geschmack

Zubereitung:

  1. Brot vorbereiten: Das Roggenbrot in kleine Stücke schneiden und im Backofen bei niedriger Temperatur (ca. 100-120°C) trocknen oder leicht anrösten, bis es knusprig ist und leicht braun wird. Dies verstärkt den Brotaroma.
  2. Aufguss herstellen: Das getrocknete Brot in ein großes, hitzebeständiges Gefäß (z.B. einen großen Topf oder Gärbehälter) geben. Das Wasser zum Kochen bringen und über das Brot gießen. Gut umrühren, zudecken und für 3-4 Stunden ziehen lassen, bis die Mischung abgekühlt ist.
  3. Filtern und Hefe hinzufügen: Die Brot-Wasser-Mischung durch ein feines Sieb oder ein Mulltuch abseihen, um die Brotstücke zu entfernen. Die Flüssigkeit ist der „Brotaufguss“.
  4. Fermentieren: Den Brotaufguss leicht erwärmen (nicht über 35°C), den Zucker darin auflösen. Die Hefe in etwas warmem Wasser auflösen und zusammen mit den Rosinen (falls verwendet) zum Brotaufguss geben. Gut umrühren.
  5. Gärung: Das Gefäß mit einem Tuch abdecken (nicht luftdicht verschließen, da Gase entweichen müssen) und an einem warmen Ort (ca. 20-25°C) für 12-24 Stunden fermentieren lassen. Die Gärung beginnt, wenn sich Bläschen bilden und ein leicht säuerlicher, brotiger Geruch entsteht.
  6. Abfüllen und Nachgären: Den fermentierten Kwas nochmals vorsichtig durch ein feines Sieb seihen. In saubere Glasflaschen mit Schraubverschluss oder Bügelverschluss abfüllen. Jede Flasche kann noch 1-2 Rosinen für zusätzliche Kohlensäure erhalten.
  7. Kühlen und Genießen: Die Flaschen fest verschließen und für mindestens 24-48 Stunden im Kühlschrank lagern. Dadurch entwickelt sich die Kohlensäure und der Geschmack reift. Kwas schmeckt am besten gut gekühlt.

Wissenswertes rund um Kwas:

  • Leichter Alkoholgehalt: Kwas ist ein fermentiertes Getränk und enthält daher einen geringen Alkoholgehalt, meist zwischen 0,5% und 1,5%. In seltenen Fällen, bei längerer Fermentation, kann dieser Wert auch höher sein. Er gilt in den meisten Ländern als alkoholfrei.
  • Gesundheitsfördernd: Kwas ist reich an Probiotika (Milchsäurebakterien und Hefen), die gut für die Darmgesundheit und die Verdauung sein sollen. Er enthält auch B-Vitamine und Mineralien.
  • Basis für Suppen: Kwas wird nicht nur getrunken, sondern dient auch als Basis für traditionelle osteuropäische kalte Sommersuppen wie Okroschka oder Botwinja.
  • Geschmacksvariationen: Neben dem klassischen Brot-Kwas gibt es auch Varianten aus Roter Bete (besonders beliebt als „Rote Bete Kwas“ oder „Beet Kvass“, oft salzig und erdig), Früchten, Beeren, Honig oder Kräutern.
  • Symbolische Bedeutung: Kwas ist ein Symbol für Gastfreundschaft und Tradition in vielen osteuropäischen Kulturen.

Verweise zu ähnlichen fermentierten Getränken:

Die Idee, Lebensmittel zu fermentieren, um haltbare und schmackhafte Getränke herzustellen, ist weltweit verbreitet. Kwas steht in einer Reihe mit anderen bekannten fermentierten Getränken:

  • Kombucha: Ein fermentiertes Teegetränk, das ebenfalls durch Bakterien und Hefen entsteht und eine leicht säuerliche, spritzige Note hat. Seine Ursprünge liegen in Ostasien.
  • Kefir: Ein fermentiertes Milchgetränk aus dem Kaukasus, das durch Kefirknollen hergestellt wird und reich an Probiotika ist.
  • Tepache: Ein traditionelles mexikanisches Getränk aus fermentierten Ananasschalen, das süß-sauer und leicht spritzig schmeckt.
  • Sauerteiggetränke: In vielen Kulturen gibt es auch Getränke, die aus Sauerteig und Wasser hergestellt werden und ähnliche fermentierte Eigenschaften wie Kwas aufweisen.

Kwas ist also viel mehr als nur ein Getränk. Er ist ein Stück lebendige Geschichte, ein Zeugnis menschlicher Genialität und ein köstlicher Beweis dafür, wie aus einfachen Zutaten etwas Besonderes entstehen kann. Ein Schluck Kwas ist wie eine Reise in die Seele Osteuropas – erfrischend, tiefgründig und unvergesslich.