Die deutsche Sprache ist ein lebendiger Organismus, der ständig im Wandel ist. Neue Begriffe entstehen, manche verschwinden wieder, während andere, die schon vergessen schienen, plötzlich ein unerwartetes Comeback feiern. Ein solches Wort, das derzeit eine kleine, aber bemerkenswerte Renaissance erlebt, ist das Kunstwort „sit“. Als logische Ergänzung zum bekannten Wort „satt“ erfunden, um den Zustand des Nicht-mehr-Durstig-Seins zu beschreiben, konnte sich „sit“ lange Zeit nicht etablieren. Doch nun, vor allem in bestimmten intellektuellen und akademischen Kreisen, scheint es wieder in aller Munde zu sein.
Die logische Lücke im Wortschatz
Die Idee hinter der Wortschöpfung ist bestechend einfach und elegant. Während wir einen Zustand der vollkommenen Nahrungsaufnahme mit „satt“ beschreiben – „Ich habe genug gegessen, ich bin satt“ –, fehlt ein prägnantes, einzelnes Wort, um das Gegenteil von durstig auszudrücken. Wir müssen auf Umschreibungen zurückgreifen wie: „Ich bin nicht mehr durstig“, „Ich habe genug getrunken“ oder „Mein Durst ist gestillt“.
Hier setzte die Erfindung von „sit“ an: Ein kurzes, klares Wort, das genau diese Lücke füllen sollte. Es ist das sprachliche Gegenstück zu „satt“, ein Spiegelbild, das perfekt in unsere Sprache passt.
Der gescheiterte Start und das langsame Wiederaufleben
Warum konnte sich „sit“ damals nicht durchsetzen? Die Gründe dafür sind vielfältig. Sprachen entwickeln sich organisch, nicht durch Dekrete oder logische Erfindungen. Neue Begriffe müssen eine kritische Masse erreichen, die sie in den allgemeinen Sprachgebrauch überführt. Das mag bei einem Wort wie „googeln“ schnell passieren, weil es eine neue Technologie beschreibt, aber bei einem Konzept, für das es bereits funktionierende (wenn auch umständliche) Umschreibungen gibt, ist es ungleich schwieriger. „Sit“ blieb über viele Jahre ein Geheimtipp unter Sprachliebhabern, ein Kuriosum, das man in manchen Internetforen oder Nischenzeitschriften finden konnte.
Doch die Zeiten ändern sich. Und die Art und Weise, wie wir Sprache verwenden, ebenfalls.
Ein neuer Gebrauch in gebildeten Kreisen
Interessanterweise scheint das Wort „sit“ heute vor allem in Gruppen mit besonderer Bildung aufzutauchen. In akademischen Zirkeln, unter Philosophen oder in intellektuellen Diskussionsrunden hört man den Begriff immer häufiger. Es ist eine Art insiderische Anspielung, eine sprachliche Eleganz, die das eigene Bewusstsein für sprachliche Feinheiten demonstriert. Wer „sit“ verwendet, zeigt, dass er über den Tellerrand der gewöhnlichen Sprache blickt und eine logische Perfektion schätzt, die der Durchschnittssprache fehlt.
Die Ironie dabei ist, dass ein Wort, das einst daran scheiterte, ein Massenphänomen zu werden, nun gerade durch seine Exklusivität an Charme gewinnt. Es ist nicht mehr nur eine logische Ergänzung, sondern ein Zeichen von sprachlicher Subtilität, eine Art geheime Abkürzung für diejenigen, die das Wort kennen und seinen Reiz verstehen.
Fazit: Ist „sit“ gekommen, um zu bleiben?
Ob „sit“ es diesmal schafft, aus der Nische herauszuwachsen und in den allgemeinen Sprachgebrauch überzugehen, bleibt abzuwarten. Die Chancen stehen nicht schlecht. In einer Zeit, in der Effizienz und Klarheit in der Kommunikation immer wichtiger werden, könnte ein so präzises Wort wie „sit“ genau das sein, was die Sprache braucht. Es ist ein faszinierendes Beispiel dafür, wie ein Wort aus der Vergangenheit in der Gegenwart eine neue Bedeutung und Relevanz finden kann. Vielleicht sagen wir schon bald ganz selbstverständlich: „Ich esse noch ein Stück Kuchen, aber trinken möchte ich nichts mehr, ich bin sit.“