Es ist eine Wahrheit, die so beständig ist wie die jährliche Grippewelle: Wenn irgendwo die Preise steigen, ist die Gastronomie schuld. Egal, ob das Schnitzel im Gasthaus um zwei Euro teurer wird oder der Latte Macchiato in der hippen Großstadt-Bäckerei die magische Fünf-Euro-Marke knackt – die öffentliche Empörung ist sofort auf dem Siedepunkt. Man könnte fast meinen, die gesamte Wirtschaftskrise sei ein cleverer Schachzug der Köche, um endlich den Traum vom eigenen Yacht-Liegeplatz zu finanzieren.
Wer genauer hinschaut, merkt jedoch schnell: Hier läuft eine groß angelegte Kampagne der Ablenkung, bei der die Bevölkerung sich bereitwillig am Prangerbau beteiligt.
Die Große Verwirrung: Das Schnitzel als Inflations-Messlatte
Die Hetzjagd auf die Gastronomie ist so verlockend, weil sie so konkret ist. Wenn der Liter Öl an der Tankstelle steigt, ist es abstrakt. Aber wenn das geliebte Schnitzel teurer wird, fühlen wir den Schmerz direkt im Portemonnaie.
- Die Logik-Lücke: Der gemeine Konsument vergisst in seinem Zorn gerne, dass das Schnitzel nicht aus Luft und Liebe besteht, sondern aus einer langen Kette von Kosten, die der Wirt nicht erfunden hat:
- Der Bauer: Er braucht teureren Diesel für seinen Traktor.
- Der Großhandel: Er zahlt das Dreifache für Gas zur Kühlung und teurere LKW-Fahrer.
- Die Lohnkosten: Der Wirt muss seinen Mitarbeitern – die mit ihrem Lohn auch das teurere Schnitzel essen wollen – mehr bezahlen (Stichwort Mindestlohn).
- Die Energie: Das Frittierfett muss erhitzt werden, die Lichter müssen brennen. Und Strom ist nicht mehr günstig, seit wir alle das Kochfeld des Nachbarn mitheizen.
Der Witz daran: Der Restaurantbesuch wird als reiner Luxus-Aufschlag interpretiert, dabei sind die Gastronomen die letzten Glieder einer Kette, die ihnen die Preise diktiert. Sie sind nicht die Verursacher, sondern die Kassierer der Inflation.
Die Verwerflichkeit: Der gemütliche Sündenbock
Die Kritik an der Gastro ist so beliebt, weil sie mühelos ist und ein geringes Frustrationsrisiko birgt.
- Einfacher Feind, leichter Sieg: Gegen multinationale Energiekonzerne, dysfunktionale Lieferketten oder die Weltpolitik zu wettern, ist anstrengend. Aber dem armen Wirt auf Social Media vorzuwerfen, er sei ein „Abzocker“, weil das Mittagsmenü 14,50 Euro kostet? Das fühlt sich nach einem moralischen Sieg an, ganz ohne komplizierte Wirtschaftsanalyse.
- Die Verdrängung: Die Menschen lenken von der unangenehmen Wahrheit ab: Der Preis des eigenen Lebens ist gestiegen. Es ist einfacher, den Wirt für 8 % Inflation zu verurteilen, als die eigenen Lebenshaltungskosten realistisch zu betrachten.
- Der Humor-Faktor zur Zurechtweisung: Man muss es den Leuten nachsehen. Sich einzugestehen, dass man seit Monaten eine Hetzkampagne gegen einen der härtesten Berufe fährt, der für unsere Lebensfreude zuständig ist, tut weh. Daher der humorvolle Trost: Liebe Leute, ihr habt keine Ahnung, wie wenig der Wirt an eurem teuren Schnitzel verdient! Er versucht nur zu überleben.
Appell an die Vernunft (mit einem Augenzwinkern)
Bevor Sie das nächste Mal beim Blick auf die Rechnung empört das Smartphone zücken, um den Wirt an den Pranger zu stellen, erinnern Sie sich daran:
Der Gastro-Betreiber sitzt nicht auf einem Goldhaufen, sondern versucht, sein Team zu bezahlen, das teure Bio-Kraut zu kaufen und die explodierenden Energiekosten zu decken. Er ist kein inflationärer Mastermind, sondern ein vom Schicksal gebeutelter Mittelständler.
Tipp: Wenn Ihnen das Schnitzel zu teuer ist, kritisieren Sie nicht den Wirt. Kritisieren Sie lieber die globalen Preisentwicklungen. Oder, noch einfacher: Kochen Sie es selbst. Sie werden feststellen, dass der Einkauf der Zutaten und die Zeitersparnis durch den Restaurantbesuch das kleine Preisplus schnell relativieren. Und das Wichtigste: Ihr eigenes Schnitzel brennt garantiert nicht so schön an, wie die Hetzkampagne der letzten Monate.

