Freunde der gepflegten Schrauberei und alle, die schon mal versucht haben, einen Trabant mit Kaugummi und Engelsgeduld am Laufen zu halten, spitzt die Ohren! Heute tauchen wir ein in ein Abenteuer, das spannender war als jeder DEFA-Krimi und nervenaufreibender als jede Staukolonne auf der Transitstrecke: die Ersatzteilbeschaffung für einen Skoda in der glorreichen Deutschen Demokratischen Republik.
Wer in der DDR stolzer Besitzer eines Skoda war (meist ein Modell S 100, S 110 oder später der „Heckschleuder“ 105/120), der hatte nicht nur ein vergleichsweise modernes und – sagen wir mal – „dynamisch“ aussehendes Fahrzeug sein Eigen genannt. Nein, er hatte auch automatisch ein lebenslanges Abonnement für die spannendste Nebentätigkeit des Ostens abgeschlossen: die Ersatzteilsuche.
Stellen wir uns vor, unser geliebter Skoda hustete verdächtig, ein Blinker verweigerte den sozialistischen Gruß nach links, oder gar die ominöse „Motorkontrollleuchte“ (die damals eher eine vage Ahnung als eine präzise Diagnose war) flackerte beunruhigend. Nun begann die große Ersatzteil-Safari, ein Wettlauf mit der Zeit, dem Zufall und der schieren Unwilligkeit des Universums, einem Skoda-Fahrer das zu gönnen, was in kapitalistischen Gefilden als „Standard“ galt.
Die staatliche Lotterie: Der VEB „Frag mal rum“
Die offizielle Anlaufstelle war natürlich der VEB (Volkseigener Betrieb) „Kraftfahrzeugteile“. Betrat man dessen heilige Hallen, wurde man meist von einer Atmosphäre empfangen, die irgendwo zwischen Wartehalle eines Provinzbahnhofs und dem Endlager für ungelöste Probleme lag. Die Wahrscheinlichkeit, das gesuchte Teil tatsächlich zu finden, war in etwa so hoch wie ein spontaner Besuch von Erich Honecker im Jugendklub.
Die Lageristen, meist gestählt vom jahrelangen Umgang mit Mangelwirtschaft, beherrschten die Kunst des „Haben wir nicht“ in Perfektion. Auf die Frage nach einem bestimmten Ersatzteil erntete man oft einen Blick, der so vielsagend war wie eine leere Konservendose. „Skoda? Da müssen Sie mal…“, und dann folgte eine Wegbeschreibung, die einen quer durch die Republik zu irgendeinem obskuren Hinterhofschrauber führte, der angeblich „noch was haben könnte“.
Die inoffiziellen Kanäle: Das blühende Tauschgeschäft
Hier begann das eigentliche Abenteuer. Der inoffizielle Teilemarkt blühte prächtiger als die Sonnenblumenfelder im Sommer. Beziehungen waren Gold wert. Wer einen Onkel beim VEB Reifen hatte, einen Cousin, der im IFA-Kombinat arbeitete, oder einen Nachbarn, der nachts seltsame Geräusche aus seiner Garage dringen ließ (wahrscheinlich das heimliche Zerlegen eines ausgeschlachteten Wartburgs), der hatte gute Karten.
Tauschgeschäfte waren an der Tagesordnung. Eine Flasche „Roter Stern“ für einen Satz Bremsbeläge, ein Sack Kartoffeln für eine gebrauchte Lichtmaschine – die sozialistische Marktwirtschaft hatte ihre ganz eigenen Regeln. Manchmal musste man auch kreativ werden. Ein findiger Skoda-Fahrer erzählte mir einst, er habe sich für seine durchgerosteten Kotflügel Blech vom Dach einer alten Gartenlaube „organisiert“. Improvisation war Trumpf!
Die „Vitamin B“-Injektion: Beziehungen pflegen will gelernt sein
Das berühmte „Vitamin B“ (Beziehungen) war der Treibstoff der Ersatzteilbeschaffung. Wer die richtigen Leute kannte und diese regelmäßig mit kleinen Aufmerksamkeiten bedachte (eine Packung „Kaffee MIX“, ein paar „Schokoladentäfelchen“), der hatte deutlich bessere Chancen, an die begehrten Teile zu kommen. Die Pflege dieser „sozialistischen Netzwerke“ war ein Fulltime-Job, aber er konnte einem so manchen Werkstattaufenthalt ersparen.
Die „Bastellösung“: Wenn aus zwei mach eins wird (irgendwie)
Manchmal half alles Suchen, Tauschen und „Vitamin B“ nichts. Dann war Kreativität gefragt. Ein ausgeschlagener Traggelenk wurde notdürftig geschweißt (was sicherheitstechnisch eher einem russischen Roulette glich), ein gerissener Keilriemen mit Damenstrümpfen geflickt (hielt erstaunlich gut!), und ein fehlender Blinkerglas durch eine rote Margarine-Dose ersetzt (sah zwar bescheiden aus, erfüllte aber seinen Zweck). Die „Bastellösung“ war eine Kunstform, die in der DDR zur Perfektion gebracht wurde.
So mancher Skoda-Fahrer entwickelte im Laufe der Jahre eine innige Beziehung zu seinem Fahrzeug – nicht nur eine des Besitzers, sondern eher eine des Leidensgenossen. Jede erfolgreiche Ersatzteilbeschaffung war ein kleiner Triumph über die Widrigkeiten des sozialistischen Alltags, ein Beweis für den unbändigen Überlebenswillen des Schraubers und seines geliebten tschechischen Gefährten. Die Ersatzteil-Safari war hart, oft frustrierend, aber rückblickend auch irgendwie… unvergesslich. Man lernte, mit wenig auszukommen, kreativ zu sein und die kleinen Erfolge umso mehr zu schätzen. Und wer weiß, vielleicht rollen ja noch heute einige dieser liebevoll „optimierten“ Skodas auf den Straßen – ein lebendiges Denkmal für den Erfindungsreichtum einer ganzen Generation.