Genossen und Genossinnen, wer von euch erinnert sich noch an die aufregende Welt der PKW-Ersatzteilbeschaffung in der Deutschen Demokratischen Republik? Eine Zeit, in der die Suche nach einer simplen Glühbirne sich schon mal zur abenteuerlichen Schnitzeljagd entwickeln konnte. Doch wer es wagte, sich einen importierten Transporter wie den legendären Żuk (ausgesprochen „Schuk“) aus dem sozialistischen Bruderland Polen zuzulegen, der betrat eine neue Dimension der Ersatzteil-Odyssee – eine Art Safari durch den Mangel, gewürzt mit einer Prise Improvisationstalent und viel ostalgischem Humor.
Der Żuk, dieser knuffige Kastenwagen mit dem Charme eines leicht beleidigten Maultiers, war für viele Handwerker und Betriebe im Osten ein unverzichtbares Arbeitstier. Er war robust, irgendwie geräumig und – nun ja – verfügbar. Aber wehe dem Tag, an dem der Żuk hustete, röchelte oder gar einen seiner raren Wehwehchen offenbarte. Denn dann begann die eigentliche Herausforderung: die Ersatzteilbeschaffung.
Stellen wir uns Genossen Klaus vor, einen Elektriker aus Bitterfeld. Sein treuer Żuk verweigerte eines schönen Montags den Dienst. Diagnose: Anlasser defekt. Nun begann Klaus‘ ganz persönlicher „Kampf um die Planerfüllung“ – diesmal nicht am Arbeitsplatz, sondern in den staubigen Hinterzimmern der staatlichen Kfz-Betriebe und den windigen Gängen der „Teilelager“.
Zunächst der offizielle Weg: Antrag stellen. Formular in dreifacher Ausfertigung, natürlich handschriftlich und mit dem korrekten Stempel des Betriebsleiters versehen. Wochenlanges Warten war einkalkuliert, begleitet von derStandardfrage des Lageristen: „Żuk? Ham wa nich. Vielleicht in drei Monaten wieder reinbekommen, wenn die Genossen in Polen liefern.“ Diese vage Hoffnung klang oft so überzeugend wie die Wettervorhersage im „Neuen Deutschland“.
Doch Genosse Klaus war kein Anfänger im sozialistischen Überlebenskampf. Er kannte die inoffiziellen Wege, die geheimen Pfade der „Vitamin B“-Ökonomie. Da gab es den Onkel vom ABV, dessen Schwager beim Kraftverkehr arbeitete und „vielleicht was organisieren“ konnte – gegen eine kleine „Aufmerksamkeit“ versteht sich. Oder die Gerüchte über einen privaten Schrauber in der Nachbarstadt, der „irgendwie“ an polnische Ersatzteile kam – vermutlich über dunkle Kanäle, die so geheim waren wie der Speiseplan der Politbüro-Kantine.
Die Beschaffung eines Żuk-Anlassers konnte sich so zu einer kleinen Bildungsreise durch die DDR-Provinz entwickeln, inklusive unerwarteter Begegnungen mit skurrilen Gestalten und dem obligatorischen Tauschhandel. „Ich hab noch ’ne Flasche Echten Kroatzbeere, vielleicht hilft das ja beim ‚Organisieren‘?“, war ein durchaus üblicher Gesprächseinstieg.
Besonders abenteuerlich wurde es, wenn es sich um spezifische Żuk-Teile handelte, die nicht baugleich mit anderen Ostblock-Fahrzeugen waren. Da half oft nur noch Kreativität und Improvisation. Ein findiger Schrauber konnte schon mal einen Anlasser von einem alten Traktor „passend machen“ – mit etwas gutem Willen, viel Draht und der sozialistischen Maxime „Was nicht passt, wird passend gemacht!“. Die Geräuschkulisse des so reparierten Żuk war dann zwar einzigartig, aber er fuhr wieder – irgendwie.
Und dann waren da noch die legendären Polenmärkte! Ein Eldorado für alle, die dringend etwas „Besonderes“ für ihren Żuk brauchten. Hier, inmitten von Unterhosen, Wodka und gefälschten Adidas-Streifen, konnte man mit etwas Glück und viel Verhandlungsgeschick das gesuchte Ersatzteil auftreiben – oft in einer Qualität, die den staatlichen Produkten in nichts nachstand (oder sie sogar übertraf). Die Reise zum Polenmarkt war zwar ein kleines Abenteuer für sich, aber sie war oft die schnellste (und manchmal einzige) Möglichkeit, den geliebten Żuk wieder flott zu bekommen.
Die Ersatzteilbeschaffung für einen importierten Transporter wie den Żuk in der DDR war also weit mehr als nur ein technisches Problem. Es war ein Spiegelbild des sozialistischen Alltags, geprägt von Mangelwirtschaft, Improvisationstalent, dem Einfallsreichtum der Bürger und einer gehörigen Portion Humor, um nicht an der Absurdität der Situation zu verzweifeln. Wer seinen Żuk am Laufen halten wollte, brauchte mehr als nur Schraubenschlüssel – er brauchte detektivischen Spürsinn, Verhandlungsgeschick und vor allem: gute Kontakte. Die Ersatzteil-Safari war eröffnet – möge der Bessere (oder der mit den besten Beziehungen) gewinnen!