Die Metropole Rio de Janeiro ist bekannt für ihren entspannten Carioca-Lebensstil, ihre Strände und den Samba. Doch wenn es auf die Mittagszeit zugeht (typischerweise zwischen 12:00 und 14:00 Uhr), schlägt das Herz der Stadt nicht nur für das berühmte Nationalgericht, sondern vor allem für zwei hocheffiziente und bodenständige Esskonzepte, die den Alltag der arbeitenden Bevölkerung bestimmen.
Die Mittagspause in Rio ist oft keine Zeit für ausgefallene Gourmet-Erlebnisse, sondern ein schneller, sättigender und nahrhafter Pflichttermin.
1. Der Prato Feito (PF): Die brasilianische „Komplettmahlzeit“
Der Prato Feito (wörtlich: „gemachtes Gericht“), oft nur als „PF“ abgekürzt, ist der unangefochtene Klassiker der Mittagstische und Botecos (traditionelle Kneipen/Restaurants) in ganz Rio. Es ist das brasilianische Äquivalent zur deutschen „Hausmannskost“ und zielt darauf ab, den hart arbeitenden Bürger satt zu machen.
- Beschreibung: Der PF ist durch seine standardisierte Zusammensetzung auf einem einzigen Teller definiert, die eine vollständige, kalorienreiche Mahlzeit ergibt:
- Basis: Eine großzügige Portion Reis (arroz) und Schwarze Bohnen (feijão preto). Diese Kombination ist in Brasilien eine kulturelle Konstante.
- Protein: Ein Stück Fleisch (oft gegrilltes Rindfleisch, carne de sol, oder Hähnchen) oder eine einfache Variante (Milanesa, paniert).
- Beilage: Frittierte Kartoffeln (batata frita) oder Maniok (aipim), manchmal ergänzt durch eine kleine Salatbeilage oder gedünsteten Kohl.
- Merkmal: Der PF ist in seiner klassischen Form rustikal und günstig, eine „Kohlenhydratbombe“, die dem Arbeiter schnelle Energie für den Rest des Tages liefert.
2. Comida a Quilo: Das flexible Mittagspausen-Konzept
Das Comida a Quilo (wörtlich: „Essen nach dem Kilo“) ist der moderne, urbane Renner in den Geschäftsvierteln und belebten Stadtteilen Rios (wie Copacabana oder Centro). Es ist das brasilianische Self-Service-Buffet nach Gewicht.
- Beschreibung: Dieses System bietet eine riesige Auswahl an Salaten, Gemüse, warmen brasilianischen und internationalen Gerichten, Beilagen und oft auch Churrasco (gegrilltes Fleisch) und sogar Sushi. Der Gast füllt seinen Teller und zahlt den Preis pro Kilogramm des Inhalts.
- Vorteile: Das Konzept ist optimal für die schnelle Mittagspause, da es keine Wartezeit gibt und der Gast Kontrolle über die Portionsgröße und die Kosten hat. In Büronähe hat das „a Quilo“-Restaurant oft die herkömmlichen Prato Feito-Lokale verdrängt.
- Verbreitung: Comida a Quilo ist in Rio so verbreitet, dass es in den meisten Stadtteilen – von der schlichten Kantine bis zum gehobenen Grill-Buffet – zu finden ist.
3. Der Feijoada-Tag: Die Ausnahme von der Regel
Obwohl die Feijoada (ein reichhaltiger Eintopf aus schwarzen Bohnen, verschiedenen Schweinefleisch- und Wurstsorten) als das brasilianische Nationalgericht schlechthin gilt, ist es in Rio kein typisches Alltagsgericht zur Mittagszeit.
- Feiertags-Tradition: Traditionell ist der Samstag der „Feijoada-Tag“ (Dia de Feijoada). Das Gericht ist so deftig und sättigend, dass es üblicherweise am Wochenende in geselliger Runde genossen wird, oft mit Freunden oder der Familie, gefolgt von einer ausgiebigen Siesta.
- Zubereitung: Serviert wird es immer „completa“ – mit Reis, Farofa (geröstetem Maniokmehl), gedünstetem Grünkohl (couve) und einer Orangenscheibe (die der Verdauung helfen soll).
4. Snacks und Street Food am Strand
Am Strand von Ipanema oder Copacabana dominieren leichte Snacks das Mittagsbild:
- Pão de Queijo: Käsebällchen aus Tapiokamehl, knusprig außen, zäh und käsig innen. Perfekt für den kleinen Hunger zwischendurch.
- Tapioca: Dünne Pfannkuchen aus Maniokstärke, die schnell gebraten und süß (z.B. mit Kokos) oder herzhaft (z.B. mit Käse oder Hühnchen) gefüllt werden.
- Empadas: Kleine gefüllte Pasteten oder Teigtaschen, beliebt als schnelles Gericht an jeder Ecke.
Die Esskultur in Rio de Janeiro zeigt damit eine klare Teilung: schnelle, praktische Effizienz in der Stadt (PF und Kilo-Restaurants) und traditionelle Gemütlichkeit am Wochenende (Feijoada).