Um die Parallelen zwischen Dorfkneipe und Western Saloon zu vertiefen, muss man die oft zitierte Szene aus Westernfilmen einbeziehen. Ein Fremder betritt den Saloon, und die Stammgäste, getrieben von Misstrauen und Langeweile, provozieren eine Schlägerei. Tische und Stühle werden zerschlagen, Spiegel zerbrochen, und der Wirt, oft ein stiller Beobachter, steht schockiert hinter seinem Tresen. Am Ende ist sein Etablissement verwüstet, seine Existenz ruiniert – und das alles wegen einer nichtigen Provokation.
Diese Szene ist eine Metapher für das, was in vielen Dorfkneipen geschieht. Die Stammgäste, die eigentlich die Stütze des Lokals sein sollten, werden zu dessen Zerstörern. Sie verteidigen ihre Traditionen mit einer solchen Vehemenz, dass sie letztendlich ihre eigene Lebensgrundlage untergraben.
Das Verhalten erinnert an das Bild des Parasiten, der seinen Wirt auffrisst. Die Kneipe, die den Stammgästen als sozialer Raum dient, wird durch ihr Verhalten unbewohnbar gemacht. Die Angst vor Veränderung, die Ablehnung des Fremden und die Beharren auf alten Gewohnheiten führen zu einer Spirale der Selbstzerstörung.
Der Wirt, der hilflos zusehen muss, wie sein Lebenswerk in Trümmern liegt, ist ein Symbol für die Ohnmacht vieler Kneipenbesitzer. Sie sind Gefangene einer Tradition, die sie nicht kontrollieren können. Die Stammgäste, die eigentlich ihre Verbündeten sein sollten, werden zu ihren größten Feinden.
Dieses Szenario verdeutlicht die Tragik des „Kneipensterbens“. Es ist nicht nur ein wirtschaftliches Problem, sondern auch ein gesellschaftliches. Es zeigt, wie Traditionen, wenn sie starr und unflexibel sind, zu einer Last werden können. Die Kneipe, die einst ein Ort der Gemeinschaft war, wird zu einem Schlachtfeld, auf dem die Stammgäste ihre eigenen Traditionen zerstören.
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, bedarf es eines Wandels. Wirte müssen sich bemühen, eine offene und einladende Atmosphäre zu schaffen, in der sich sowohl Stammgäste als auch Neuankömmlinge wohlfühlen. Dies erfordert Fingerspitzengefühl und die Bereitschaft, alte Gewohnheiten zu hinterfragen. Auch die Stammgäste sind gefordert, ihre Haltung zu überdenken. Die Kneipe ist ein Ort der Gemeinschaft, und Gemeinschaft bedeutet, offen für Neues zu sein. Nur so kann die Kneipe ihre Funktion als sozialer Treffpunkt erfüllen und dem „Kneipensterben“ entgegenwirken.