Die deutsche Gastronomie in Deutschland scheint seit Jahren einen schweren Stand zu haben, während Konzepte mit internationaler Ausrichtung – ob Grieche, Italiener oder Asiate – florieren. Dies ist keine bloße Beobachtung, sondern ein komplexes Problem, das tief in der Natur der deutschen Küche, den Erwartungen der Gäste und den wirtschaftlichen Realitäten des Marktes verwurzelt ist. Ihr pointiertes Beispiel mit Rouladen versus Döner trifft den Kern des Dilemmas.
Das „Problem“ der traditionellen deutschen Küche
Die deutsche Küche hat einen Ruf, der oft missverstanden wird. Sie ist herzhaft, bodenständig und historisch gewachsen, aber genau hier liegen auch ihre Herausforderungen im modernen Gastronomiebetrieb:
- Aufwand vs. Erwartung: Das Rouladen-Paradoxon Gerichte wie Rouladen, Sauerbraten oder Königsberger Klopse sind kulinarische Meisterwerke, die jedoch extrem zeit- und arbeitsintensiv in der Zubereitung sind. Sie erfordern lange Garzeiten, sorgfältige Vorbereitung und viel Handarbeit.
- Die gute Nachricht: Einmal vorbereitet, lassen sich diese Gerichte relativ schnell servieren, was für den Ablauf in der Küche effizient ist.
- Die Herausforderung: Dieser hohe Vorbereitungsaufwand spiegelt sich im Preis wider. Gäste erwarten für eine Roulade oft einen „normalen“ Preis, der den tatsächlichen Arbeitsaufwand kaum deckt. Sie sind es nicht gewohnt, für aufwendige Hausmannskost Preise zu zahlen, die denen eines feinen Filets in einem internationalen Restaurant ähneln würden. Dies führt zu einem Zwiespalt zwischen dem tatsächlichen Wert und dem, was der Kunde bereit ist zu zahlen.
- Die „Einfachheit“ der Hausmannskost: Wenn Strammer Max auf Preisdruck trifft Im Gegensatz zu den aufwendigen Schmorgerichten gibt es die einfachen Gerichte der Hausmannskost wie den Strammen Max, Kartoffelsalat mit Würstchen oder Frikadellen. Diese sind historisch bedingt wirklich „sehr einfach“ in ihrer Zubereitung und oft mit preiswerten Zutaten verbunden.
- Das Dilemma des Preises: Ein wirtschaftlich kalkulierter Verkaufspreis, der Miete, Personal, Wareneinsatz und Gewinnmarge berücksichtigt, würde diese einfachen Gerichte oft „zu teuer“ erscheinen lassen – im direkten Vergleich zu einem Döner für 6 Euro oder einer Pizza für 10 Euro. Diese internationalen Gerichte bieten oft eine höhere wahrgenommene Wertigkeit pro Preis, da sie sättigender, exotischer oder einfach „moderner“ wirken.
- Die Abwertung durch niedrigen Preis: Würde man den Preis der deutschen Hausmannskost jedoch „zu billig“ ansetzen, um Kunden anzulocken, „wertet das das Konzept ab und ist langfristig destruktiv.“ Es schadet nicht nur der Wahrnehmung der Qualität des Gerichts selbst, sondern untergräbt auch die Rentabilität des gesamten Betriebs und die Wertschätzung für die Arbeit der Köche. Das „Billig-Image“ macht es unmöglich, langfristig zu bestehen und in Qualität zu investieren.
Der internationale Vorteil: Geschwindigkeit, Preis-Leistungs-Verhältnis und „Exotik“
Konzepte wie griechische, italienische oder asiatische Restaurants haben oft strukturelle Vorteile, die sie im Markt erfolgreicher machen:
- Standardisierung und Schnelligkeit: Viele internationale Küchen basieren auf Gerichten, die sich gut standardisieren und schnell zubereiten lassen (Pasta, Pizza, Wok-Gerichte, Gyros vom Spieß). Die Vorbereitung von Soßen, Teig oder Fleischspießen kann oft zentral erfolgen oder ist pro Portion weniger zeitintensiv als eine klassische Roulade.
- Wahrgenommenes Preis-Leistungs-Verhältnis: Für viele Gäste bieten ein Döner, eine Pizza oder ein Gyros-Teller ein unschlagbares Preis-Leistungs-Verhältnis in Bezug auf Sättigung und Geschmack. Sie sind als „Fast Casual“ oder schnelles Mittagessen etabliert und werden nicht mit denselben Erwartungen an „Haute Cuisine“ gemessen wie ein deutsches Traditionsgericht.
- Der Reiz des Exotischen: Internationale Küchen bieten eine Abwechslung zum Alltag und den Reiz des Exotischen. Sie repräsentieren oft auch ein mediterranes oder fernöstliches Lebensgefühl, das von vielen als attraktiver empfunden wird als die traditionell eher „bodenständige“ deutsche Küche.
Was tun? Strategien für die deutsche Gastronomie
Um im Wettbewerb zu bestehen, müssen deutsche Gastronomen kreativ werden und ihre Konzepte überdenken:
- Neudefinition von Hausmannskost: Nicht als billiges Sattmacher-Essen, sondern als qualitatives, handwerkliches Produkt. Dies erfordert eine selbstbewusste Preisgestaltung und Kommunikation des Aufwands.
- Fokus auf Qualität und Herkunft: Betonung regionaler Produkte, Bio-Qualität und handwerklicher Zubereitung. Eine Geschichte hinter dem Gericht oder den Zutaten kann den wahrgenommenen Wert steigern.
- Modernisierung des Ambientes und Marketings: Weg vom angestaubten Image. Modernes Design, ansprechende Präsentation der Speisen und gezieltes Marketing können das Erlebnis „deutsche Küche“ neu beleben.
- Spezialisierung und Nischen: Statt die gesamte Bandbreite der deutschen Küche anzubieten, könnten sich Betriebe auf bestimmte Regionen (bayerisch, rheinisch etc.) oder Gerichte spezialisieren und diese perfektionieren.
- Angepasste Konzepte: Schnelle deutsche Snacks für den Mittagstisch (z.B. hochwertige Frikadellen-Burger, Currywurst-Variationen mit Qualitätssiegel) könnten neben traditionellen Abendgerichten angeboten werden.
- Erlebniskonzepte: Kochen in offenen Küchen, thematische Abende oder die Integration kultureller Aspekte können den Besuch zu einem besonderen Erlebnis machen.
Das Dilemma der deutschen Gastronomie ist real und wird durch die von Ihnen genannten Punkte – den hohen Aufwand vieler Gerichte, den Preisdruck bei einfacher Hausmannskost und die Konkurrenz durch preisgünstigere internationale Konzepte – deutlich. Es ist ein Kampf um die Wertschätzung, die wirtschaftliche Tragfähigkeit und die Platzierung im modernen kulinarischen Bewusstsein. Eine Neuausrichtung, die den Wert der handwerklichen Qualität der deutschen Küche hervorhebt und gleichzeitig moderne Marktbedingungen berücksichtigt, könnte der Schlüssel zum langfristigen Erfolg sein.