München/Berlin – In einer Zeit, in der die Präzision der Sprache mehr denn je ein Pfeiler kritischen Denkens sein sollte, erleben wir eine beunruhigende Inflation von Begriffen, die zwar emotional tröstlich, aber inhaltlich völlig leer sind. Zwei Floskeln stechen in dieser Worthülsen-Ökonomie besonders hervor: „von unschätzbarem Wert“ und „mit unermüdlichem Einsatz“. Bei genauerer Analyse entpuppen sie sich nicht nur als sinnfrei, sondern als Symptom eines tiefer liegenden gesellschaftlichen Problems: der Verdrängung der Wahrheit durch unreflektiertes Lob.
Die Analyse von zwei sinnentleerten Superlativen
Wer diese Phrasen verwendet, zielt auf die unmittelbare, positive Resonanz ab. Doch sie sind rhetorische Placebos, die eine genaue Begründung vermeiden.
Der Begriff „von unschätzbarem Wert“ soll absolute Wichtigkeit signalisieren. Er suggeriert, der Wert sei so hoch, dass er über jede Maßeinheit hinausgeht. In der Praxis ist er jedoch eine emotionale Abkürzung. Wenn etwas tatsächlich unschätzbar ist, dann ist es entweder ein ethisches Gut (wie ein Menschenleben) oder schlicht unbestimmbar. Die Formulierung ersetzt die mühsame Aufgabe, den konkreten Wert zu benennen, durch einen pauschalen, vordefinierten Superlativ. Es wird eine unermessliche Wichtigkeit suggeriert, wo oft nur eine vage Ahnung von Relevanz existiert.
Noch aufschlussreicher ist die Floskel „mit unermüdlichem Einsatz“. Sie soll Ausdauer und Fleiß preisen. Kritisch betrachtet impliziert der Begriff jedoch eine absurde Logik: Wenn ein Einsatz den Akteur nicht müde macht, dann ist die alternative Interpretation, dass die tatsächliche Anstrengung zu gering war. Die Phrase verschleiert die fehlende Effizienz und die Notwendigkeit, echte Leistung zu messen. Sie dient als unreflektiertes Lob, das die Qualität der Arbeit irrelevant macht – Hauptsache, der Einsatz klang heroisch.
Der Preis der Impräzision: Sprachverfall und Kontrolle
Der Zerfall solcher präziser Formulierungen ist keine harmlose sprachliche Modeerscheinung; er ist ein Indikator für einen breiteren intellektuellen Rückschritt.
Unsere Sprache ist das Werkzeug unseres Denkens. Wenn wir akzeptieren, dass Worthülsen die Notwendigkeit genauer Analyse ersetzen, verlieren wir die Fähigkeit zur kritischen Unterscheidung. Wie oft werden heute politische oder kulturelle Agenden mit einem „unschätzbaren Wert“ beworben oder von Akteuren mit einem „unermüdlichen Einsatz“ vorangetrieben, ohne dass jemand die tatsächliche Substanz oder die realen Kosten hinterfragt?
Dieser Verlust an Präzision schafft ein ideales Umfeld für Manipulation. Wer nicht mehr in der Lage ist, die exakten Bedeutungen von Worten zu erfassen, wird leicht von emotionaler Rhetorik abgelenkt. Die Kritik, dass dies ein Zustand ist, der die Bevölkerung „dumm“ und damit „kontrollierbar“ macht, gewinnt angesichts dieser systematischen Aushöhlung der Sprache an Tragweite.
Die Bequemlichkeit der Floskeln ist eine „Honigfalle“ der Kommunikation. Sie schmeicheln dem Empfänger, aber sie entwerten die Botschaft und ersetzen die Komplexität der Welt durch eine einfache, stets positive, aber stets leere Behauptung. Der Kampf um präzise Sprache ist daher immer auch ein Kampf um die Integrität des Denkens. .