Die Beliebtheit der ethnischen Küche ist im urbanen Alltag unbestritten: Von der Mittagspause bis zum Abendessen sind griechische Tavernen, asiatische Wok-Küchen und italienische Trattorien die Magneten der deutschen Gastronomieszene. Doch sobald es um die Organisation von Großveranstaltungen, Firmenevents oder privaten Feiern geht, zieht sich dieses bunte Spektrum plötzlich zurück. Im Catering-Bereich dominieren Spieße, Schnitzel, Kartoffelgratin und Salate – die klassische deutsche bzw. mitteleuropäische Buffet-Küche.
Dieses Phänomen ist kein Zufall, sondern das Ergebnis einer komplexen Mischung aus Logistik, Risikoaversion, geschäftlicher Struktur und kulturellen Erwartungen.
1. Die Logistik und der Faktor Risiko
Catering ist eine Frage der Skalierbarkeit und der Temperatursicherheit. Hier haben traditionelle, deutsche Catering-Konzepte klare Vorteile:
- Standardsicherheit: Ein Buffet mit Schweinebraten, Krautsalat und Gratin ist in der Regel temperaturstabiler und logistisch einfacher zu handhaben. Es besteht ein geringeres Risiko, dass Speisen auf dem Transportweg oder während der Standzeit verderben (ein kritischer Faktor bei großen Mengen).
- Massenproduktion: Deutsche Caterer sind auf die Massenproduktion von Großveranstaltungen ausgerichtet. Ihre Küchen sind für die Herstellung von 200 Portionen Rouladen oder Gulasch effizienter als die spezialisierte Kleinküche eines typischen Ethno-Restaurants.
- Das Haftungsrisiko: Bei Firmenevents, wo der Ruf des Gastgebers auf dem Spiel steht, dominiert die Risikoaversion. Man wählt Gerichte, die fast jeder mag und verträgt, was oft auf die neutrale Basis der deutschen Klassiker hinausläuft.
2. Der Faktor „Breiter Konsens“
Im privaten Konsum ist der Kunde experimentierfreudig; bei einer Veranstaltung geht es um den kleinstmöglichen gemeinsamen Nenner.
- Die Erwartungshaltung: Bei Hochzeiten, Jubiläen oder Firmen-Incentives wählt der Gastgeber Gerichte, von denen er weiß, dass sie alle Altersgruppen und kulturellen Hintergründe zufriedenstellen. Das klassische Buffet gilt als „safe bet“.
- Die „Essgewohnheiten-Barriere“: Obwohl das Interesse an Ethno-Küche hoch ist, herrscht bei exotischeren Gerichten oft die Sorge vor: Ist das nicht zu scharf? Mag Tante Erna das? Sind das nicht zu viele ungewohnte Gewürze? Man scheut das Risiko der Unzufriedenheit.
- Der Image-Transfer: Die deutsche Küche vermittelt im Catering-Kontext oft ein Gefühl von Solidität, Zuverlässigkeit und Vertrautheit – Eigenschaften, die für offizielle Anlässe als passender erachtet werden als die spontane Exotik des Streetfoods.
3. Strukturelle und Finanzielle Hürden für die Ethno-Gastro
Hier schließt sich der Kreis zu den Arbeitsmodellen:
- Die Spezialisierung fehlt: Viele italienische, griechische oder asiatische Restaurants haben sich nicht auf Groß-Catering spezialisiert. Ihr Geschäftsmodell ist auf das A-la-carte-Geschäft ausgerichtet. Sie haben oft weder die Fahrzeuge noch die Logistik-Ketten (Kühlhaltung, Warmhaltebehälter) für ein Event mit 150 Personen.
- Das Arbeitsmodell: Die stark netzwerkbasierten und familiengeführten Betriebe (Ethno-Gastro) haben oft nicht das überschüssige Personal, das notwendig wäre, um das Abendgeschäft und ein großes externes Catering-Event gleichzeitig zu stemmen. Der deutsche Caterer hingegen ist explizit als Catering-Firma organisiert und verfügt über skalierbares Personal.
Die Beliebtheit der Ethno-Küche im Alltag ist ein Ausdruck der individuellen Wahlfreiheit. Die Dominanz der deutschen Klassiker im Catering ist jedoch ein Ausdruck von ökonomischer Logistik, Risikominimierung und dem Wunsch, einen unkomplizierten, kulinarischen Konsens für eine diverse Gruppe von Gästen zu finden. Die Küche der Taverna Mykonos mag beliebter sein, aber die Logistik der Müller Catering GmbH gewinnt, wenn Hunderte von Gästen satt werden sollen.

