Der Arbeitsmarkt in der deutschen Gastronomie präsentiert sich in der öffentlichen Wahrnehmung als ein geteiltes Feld: Auf der einen Seite stehen zahlreiche und detailreiche Stellenanzeigen von Hotels, bürgerlichen Restaurants und Ketten mit deutschen Inhabern; auf der anderen Seite herrscht eine auffällige Stille bei italienischen, griechischen oder asiatischen Lokalen.
Diese Diskrepanz ist nicht auf einen Mangel an Personalbedarf zurückzuführen, sondern auf fundamental unterschiedliche Unternehmenskulturen, Rekrutierungsstrategien und Zielgruppenansprachen.
1. Das Rekrutierungsmodell der Deutschen Gastronomie
Die hohe Präsenz deutscher Gastronomiebetriebe auf Jobportalen und in Printmedien ist eine direkte Folge des allgemeinen Fachkräftemangels in Deutschland und der Notwendigkeit zur Transparenz und Attraktivität im offenen Wettbewerb.
- Sichtbarkeit und Fachkräfteakquise: Deutsche Inhaber suchen oft gezielt ausgebildete Fachkräfte (Köche, Restaurantfachleute). Um diese breite, aber umkämpfte Zielgruppe zu erreichen, sind reichweitenstarke, kostenintensive Annoncen notwendig.
- Der Fokus auf Work-Life-Balance: Die explizite Werbung mit „weichen“ Faktoren wie „freies Wochenende“, flexiblen Arbeitszeiten oder Zusatzleistungen (Tankgutscheine, Essenszuschüsse) dient der Positionierung als attraktiver Arbeitgeber. Dies ist eine direkte Reaktion auf das in Deutschland verbreitete Bewusstsein für Arbeitnehmerrechte und die kritische Wahrnehmung der Arbeitsbedingungen in der Branche.
2. Die Stille der Ethno-Gastronomie
Die Stille in den öffentlichen Ausschreibungen der griechischen, italienischen oder asiatischen Gastronomiebetriebe basiert auf einem geschlosseneren, netzwerkbasierten Rekrutierungsmodell:
- Interne und familiäre Netzwerke: Bei diesen Betrieben erfolgt die Personalbeschaffung primär über Mundpropaganda innerhalb der lokalen und oft der ethnischen Community. Offene Stellen werden oft zuerst in den familiären oder freundschaftlichen Kreis kommuniziert. Dies spart die Kosten und den Aufwand öffentlicher Annoncen.
- Zielgruppenfokus: Oft wird Personal gesucht, das spezifische Sprach- und Kulturkenntnisse mitbringt, was die Suche über allgemeine, deutschsprachige Jobbörsen ineffizient macht.
- Traditionelle Arbeitsstrukturen: Viele dieser Betriebe sind inhaber- oder familiengeführt und legen Wert auf eine hohe Verfügbarkeit der Mitarbeiter, insbesondere an den umsatzstarken Wochenenden. Die Anreizsysteme sind entsprechend anders gelagert. Statt der Garantie auf freie Wochenenden erfolgt die Vergütung des intensiven Einsatzes oft über höhere Stundenlöhne oder andere materielle Gegenleistungen.
3. Die Konsequenzen für den Arbeitsmarkt
Die unterschiedlichen Strategien führen zu einer Fragmentierung des Arbeitsmarktes:
- Wahrnehmungsverschiebung: Für deutsche Arbeitnehmer, die Wert auf geregelte Arbeitszeiten legen, wird der Markt durch die Angebote der deutschen Gastronomie dominiert. Die potenziellen Stellen in der Ethno-Gastronomie bleiben größtenteils unsichtbar.
- Unterschiedliche Investitionen: Während die deutschen Betriebe in Marketing und HR-Infrastruktur investieren müssen, um sich als modern zu präsentieren, setzen die Ethno-Gastronomen auf das Kapital des sozialen Netzwerks und eine geringere administrative Last bei der Personalbeschaffung.
Zusammenfassend lässt sich eben festhalten, dass die Beobachtung der ungleichen Verteilung von Stellenanzeigen ein Spiegelbild der kulturellen und ökonomischen Differenzen im deutschen Gastgewerbe ist. Sie verdeutlicht, dass nicht alle Marktteilnehmer denselben Weg wählen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen.

