Wer heute in der deutschen Gastronomie arbeitet, wird mit einer Flut von Versprechungen überschüttet: „Freies Wochenende garantiert!“, „Tankgutschein und bezahlte Wellness-Tage!“, „Wir leben Work-Life-Balance!“. Das Ziel deutscher Arbeitgeber ist klar: Sie wollen sich als der fortschrittliche, menschliche Gegenentwurf zu den „Ausbeuterbuden“ von gestern positionieren.
Doch die Frage steht im Raum: Hat man sich mit dieser woke-zentrierten, hyper-rücksichtsvollen Strategie nicht ein gewaltiges Eigentor geschossen, während die Konkurrenz vom Griechen, Italiener oder Asiaten – ganz ohne Yoga-Pausen – einfach nur zielführend den Umsatz maximiert?
Die Illusion des „Tollen Teams“
Der deutsche Gastro-Markt hat die Work-Life-Balance von der notwendigen Korrektur zum zentralen Verkaufsargument erhoben. Die Stellenanzeige liest sich weniger wie ein Jobangebot, sondern mehr wie das Inserat für eine psychologische Selbsthilfegruppe mit angeschlossener Kantine.
- Die Kostenfalle: Jedes „freies Wochenende“ oder jeder „Tankgutschein“ muss in die Kalkulation. Das bedeutet, der deutsche Gastronom muss höhere Preise verlangen oder seine Marge drücken. Er konkurriert nicht nur um Personal, sondern muss sich auch die Launen und die hohen Ansprüche einer Belegschaft leisten, die in den sozialen Medien gelernt hat, dass der „Bodenständige Koch“ nur der erste Schritt zum Burnout ist.
- Die Arbeitsrealität: Gastronomie ist per Definition Dienstleistung am Abend und am Wochenende. Wer dieses Kerngeschäft auf die leichte Schulter nimmt, schießt sich ökonomisch ins Knie. Der deutsche Betrieb muss den Spagat schaffen, am Samstagabend Höchstleistung zu fordern und gleichzeitig am Montagmorgen einen entspannten Mitarbeiter mit Meditations-App zu garantieren.
Der unschlagbare Charme der Tradition
Auf der anderen Seite steht der Chef des „Ristorante Rimini“. Er schaltet keine Annoncen und bietet keine Wellness-Gutscheine.
- Das Netzwerk der Effizienz: Seine Stellen werden im geschlossenen Netzwerk besetzt. Der Neffe kommt aus der Heimat, der Schwager hilft aus. Das ist nicht unsozial, es ist effizient und loyalitätsbasiert. Es umgeht die teuren Annoncen und die langwierigen Bewerbungsprozesse.
- Klare Prioritäten: Die Arbeit am Wochenende ist dort nicht verhandelbar, sondern Teil des Geschäftsmodells. Es gibt keine Illusionen. Die Abwesenheit von „woke“-Ansprüchen führt zu einer klaren, zielführenden Fokussierung auf den Umsatz. Die Arbeitsstunden sind lang, aber die Entlohnung ist oft direkter und pragmatischer geregelt, ohne den Umweg über die HR-Abteilung.
- Die Stille der Überlegenheit: Während der deutsche Gastronom 500 € für eine Annonce ausgibt, um einen Mitarbeiter zu locken, der dann nach drei Monaten das „tolle Team“ verlässt, weil er am Sonntag doch lieber brunchen will, produziert der Konkurrent Umsatz. Seine „traditionellen Methoden“ sind ökonomisch knallhart und zielführend.
Gewinnt die Ehrlichkeit des Profits?
Die Ironie liegt darin, dass der deutsche Gastronom, der „menschlicher“ sein will, durch die hohen Kosten der Rücksichtnahme gezwungen wird, unwirtschaftlicher zu arbeiten.
Während die deutsche Gastronomie damit beschäftigt ist, ihre Mitarbeiter mit Geschenken und Versprechen bei Laune zu halten, um die Abwanderung zu verhindern, lacht der „Taverna Mykonos“-Chef leise in seine Küche. Er hat zwar nicht die hippste Stellenanzeige, aber er hat das, was zählt: stabiles Personal und ein Geschäftsmodell, das die harten Fakten der Gastronomie (Abend, Wochenende, hoher Aufwand) nicht mit romantischen Work-Life-Balance-Versprechen verwässert. Das wahre Eigentor ist, die ökonomische Realität für ein Marketing-Ideal zu opfern.
