Italien ist die Heimat der feinen, mehrgängigen Küche, doch das wahre Herz der italienischen Esskultur schlägt auf der Straße. Italienisches Streetfood – cibo di strada – ist ein Mosaik aus regionalen Traditionen, das schnelle Sättigung mit tiefem kulturellem Geschmack verbindet. Es sind nicht die berühmten Pizzen oder Pastagerichte, sondern diese regionalen Ikonen, die den Charakter der jeweiligen Stadt oder Region in die Hand des hungrigen Passanten legen.
Hier sind die beliebtesten und charakteristischsten Speisen, die man in den Gassen Italiens findet, vom tiefen Süden bis in die Toskana:
1. Arancini (Sizilien)
Die Arancini (kleine Orangen) sind der unbestrittene König des sizilianischen Streetfoods und ein perfektes Beispiel für die kunstvolle Verwertung von Resten.
- Beschreibung & Herkunft: Die frittierten, goldgelben Reisbällchen stammen aus Sizilien und verdanken ihren Namen der runden Form und Farbe einer kleinen Orange. Ein alter Streit zwischen Palermo und Catania besteht über die Form: Während sie in Palermo meist kugelförmig sind (Arancina), laufen sie in Catania oft spitz zu (Arancino), in Anspielung auf den Ätna.
- Geschmack: Die traditionelle Füllung besteht aus Ragù (Hackfleisch-Tomaten-Sauce), Erbsen und Mozzarella. Außen sind sie knusprig paniert, innen cremig und herzhaft.
- Besonderes Merkmal: Die vielfältigen Füllungen. Neben der klassischen Variante gibt es Arancini mit Spinat und Ricotta, Meeresfrüchten, oder sogar in süßen Varianten.
2. Panzerotti (Apulien)
Die Panzerotti sind die kleine, herzhafte Schwester der Pizza Calzone und eine Spezialität des tiefen Südens.
- Beschreibung & Herkunft: Dieses halbmondförmige Fettgebäck ist ein Klassiker aus Apulien (Puglia), insbesondere in der Stadt Bari. Sie werden aus Pizzateig hergestellt, sind aber kleiner als eine Calzone.
- Geschmack: Die Füllung ist traditionell puristisch: Tomatensauce und geschmolzener Mozzarella. Sie werden frittiert, was den Teig leicht und knusprig macht und die Füllung wunderbar cremig hält.
- Besonderes Merkmal: Sie sind das Pizza-to-go Apuliens. Der weiche Teig und die geschmolzene Füllung machen sie zu einem idealen, schnellen Soul Food.
3. Supplì (Latium/Rom)
Die Supplì sind das römische Pendant zu den sizilianischen Arancini, jedoch mit einem eigenen, berühmten Geheimnis im Inneren.
- Beschreibung & Herkunft: Dieses frittierte Reisbällchen ist ein Eckpfeiler des römischen Streetfoods. Im Gegensatz zum Arancino ist das typische Supplì länglicher und kleiner.
- Geschmack: Die Füllung besteht traditionell aus mit Tomate und Hackfleisch gewürztem Reis. Das Besondere ist der Mozzarella-Kern.
- Besonderes Merkmal: Ihr voller Name ist Supplì al Telefono (Supplì am Telefon). Wenn man das noch heiße Bällchen auseinanderbricht, zieht sich der geschmolzene Mozzarella wie ein Telefonkabel zwischen den beiden Hälften – ein obligatorischer Test für jeden Snack-Liebhaber.
4. Lampredotto (Toskana/Florenz)
Das Lampredotto ist ein Gericht für Mutige und verkörpert die raue, authentische Streetfood-Tradition der Arbeiterklasse.
- Beschreibung & Herkunft: Dieses Sandwich ist untrennbar mit Florenz verbunden. Es besteht aus dem vierten Magen eines Rindes (dem Labmagen), der in Brühe gekocht und dann in dünne Scheiben geschnitten wird. Das Fleisch wird in einem knusprigen Brötchen (Semelle) serviert.
- Geschmack: Das Fleisch ist zart und kräftig-würzig, oft gewürzt mit Kräutern. Das Brötchen wird in die Kochbrühe getaucht, was es saftig macht. Traditionell wird es mit einer scharfen grünen Petersiliensauce (salsa verde) oder einer scharfen Sauce (salsa piccante) belegt.
- Besonderes Merkmal: Es wird an kleinen, oft seit Generationen existierenden Kiosken (Lampredottai) verkauft und ist ein kulinarisches Heiligtum der Florentiner Identität.
5. Piadina Romagnola (Emilia-Romagna)
Die Piadina ist kein frittiertes Gebäck, sondern das Fladenbrot der Bauern und ein Inbegriff der Einfachheit und Flexibilität.
- Beschreibung & Herkunft: Dieses dünne Fladenbrot aus Weizenmehl, Schmalz (oder Olivenöl) und Wasser stammt aus der Romagna (der östliche Teil der Region Emilia-Romagna). Es wird auf einer heißen Platte (Teglia) gebacken.
- Geschmack: Die Piadina dient als Hülle für herzhafte Füllungen, wie Prosciutto Crudo, Rucola und Squacquerone (ein cremiger Frischkäse). Der Teig selbst ist leicht, herzhaft und dient als perfekter neutraler Träger für die reichhaltigen Zutaten.
- Besonderes Merkmal: Sie ist die vielseitigste unter den beliebten Snacks. Neben den herzhaften Varianten wird sie auch süß mit Nutella oder Marmelade bestrichen. Sie ist das perfekte schnelle Mittagessen, das die unkomplizierte Küche der Romagna widerspiegelt.