Ungarn, das Land der weiten Puszta, der Thermalbäder und des würzigen Paprikas, ist auch eine Wiege für exquisite Obstsorten, die von den fruchtbaren Böden und dem kontinentalen Klima profitieren. Während der Weinbau weithin bekannt ist, fliegen die süßen Früchte des Landes oft unter dem Radar. Dabei haben sie eine lange Tradition und sind fester Bestandteil der ungarischen Küche – ob frisch vom Baum, als duftende Marmelade, edler Schnaps oder köstliche Füllung in Mehlspeisen.
Tauchen wir ein in die Welt der ungarischen Obstgärten und entdecken wir die fünf Klassiker, die Ungarn zu einem Paradies für Obstliebhaber machen:
1. Die Aprikose (Kajszibarack) – Gold des Sommers
Wenn der Hochsommer in Ungarn Einzug hält, ist die Aprikose (Kajszibarack) die unangefochtene Königin der Obstgärten. Ungarn ist einer der größten Aprikosenproduzenten Europas, und das aus gutem Grund: Das Klima mit seinen warmen Sommern und milden Wintern ist ideal für diese empfindliche Frucht.
- Besonderheit: Ungarische Aprikosen sind bekannt für ihr intensives Aroma, ihre saftige Süße und ihre gold-orange Farbe. Die Sorte „Magyar kajszi“ (Ungarische Aprikose) ist besonders geschätzt.
- Verwendung: Sie werden frisch genossen, zu Marmeladen und Kompotten verarbeitet, in Kuchen und Strudel gebacken (z.B. im klassischen „Barackos gombóc“, Aprikosenknödel) oder zu Ungarns berühmtestem Obstbrand destilliert: dem Barackpálinka. Der Duft und Geschmack eines guten Barackpálinka fängt die Essenz eines ungarischen Sommers ein.
- Geschichte: Aprikosen kamen wahrscheinlich über die Seidenstraße aus Zentralasien nach Europa und fanden in Ungarn schon früh ideale Anbaubedingungen.
2. Die Kirsche (Cseresznye) – Rote Verlockung im Frühsommer
Schon im späten Frühjahr kündigen die ersten reifen Kirschen (Cseresznye) den nahenden Sommer an. Ungarn ist ein bedeutender Kirschenproduzent, und die ungarischen Sorten zeichnen sich oft durch ihre Festigkeit, ihren glänzenden Rotton und ihr ausgewogenes Süße-Säure-Verhältnis aus.
- Besonderheit: Die klimatischen Bedingungen, insbesondere die vielen Sonnenstunden, lassen die Kirschen in Ungarn besonders saftig und aromatisch werden.
- Verwendung: Frische Kirschen sind ein beliebter Snack. Sie finden sich aber auch in zahlreichen Desserts (z.B. „Meggyes pite“, Sauerkirschkuchen, obwohl der oft mit Sauerkirschen gemacht wird), Marmeladen und Säften. Auch hier ist die Cseresznyepálinka (Kirschschnaps) eine geschätzte Spezialität.
- Geschichte: Kirschen wurden schon in der Antike angebaut und verbreiteten sich in ganz Europa. In Ungarn haben sie eine lange Tradition im bäuerlichen Obstanbau.
3. Die Sauerkirsche (Meggy) – Säure trifft auf Süße
Eng verwandt mit der Süßkirsche, aber mit einem ganz eigenen Charakter, ist die Sauerkirsche (Meggy). Sie ist in Ungarn von herausragender Bedeutung und vielleicht sogar noch populärer als ihre süße Cousine, wenn es um die Verarbeitung geht.
- Besonderheit: Ungarische Sauerkirschen sind bekannt für ihre intensive Säure, die ihnen eine besondere Frische verleiht und sie ideal für die Weiterverarbeitung macht. Die Sorte „Újfehértói fürtös“ ist eine der bekanntesten.
- Verwendung: Während man sie selten pur isst, sind Sauerkirschen die Basis für den beliebten „Meggyes pite“ (Sauerkirschkuchen), köstliche Konfitüren, Kompott und den erfrischenden „Meggy szörp“ (Sauerkirschsirup). Auch in Säften und natürlich im Meggypálinka findet man sie wieder. Der ungarische „Meggy“ ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Sommerküche.
- Geschichte: Wie die Süßkirsche hat auch die Sauerkirsche eine lange Geschichte in Europa und ist in Ungarn tief in der traditionellen Küche verwurzelt.
4. Die Pflaume/Zwetschge (Szilva) – Blaue Wunder des Herbstes
Wenn der Sommer sich dem Ende zuneigt, ist die Zeit der Pflaumen und Zwetschgen (Szilva) gekommen. Sie sind ein Symbol für den Herbst und ein wichtiger Bestandteil der Konservierungskultur.
- Besonderheit: Ungarische Pflaumen sind oft sehr süß und saftig. Verschiedene Sorten werden angebaut, von großen, saftigen Tafelpflaumen bis hin zu kleineren, aromatischeren Zwetschgen, die sich ideal zum Backen eignen.
- Verwendung: Sie werden frisch gegessen, zu Marmeladen (Szilvalekvár) verarbeitet (oft sehr dick eingekocht und ohne zusätzlichen Zucker), in Kuchen und Strudel gebacken (z.B. „Szilvás gombóc“, Zwetschgenknödel) oder zu Szilvapálinka (Pflaumenschnaps) destilliert, der für seine kräftige, fruchtige Note bekannt ist.
- Geschichte: Pflaumen und Zwetschgen sind seit Jahrhunderten in Europa verbreitet. In Ungarn, wo sie oft als Selbstversorgerfrucht angebaut wurden, sind sie ein Grundpfeiler der bäuerlichen und häuslichen Küche.
5. Der Pfirsich (Őszibarack) – Samtige Süße im Spätsommer
Der Pfirsich (Őszibarack) rundet die ungarische Obstsaison im Spätsommer ab. Die ungarischen Pfirsiche sind bekannt für ihre samtige Schale, ihr saftiges Fruchtfleisch und ihr intensives, süßes Aroma.
- Besonderheit: Das sonnige, trockene Klima Ungarns ist perfekt für den Anbau von Pfirsichen, die hier besonders süß und aromatisch werden.
- Verwendung: Frisch vom Baum sind sie ein purer Genuss. Sie werden aber auch in Desserts, Marmeladen, Säften und Smoothies verwendet. Auch Őszibarackpálinka (Pfirsichschnaps) ist eine beliebte Spirituose.
- Geschichte: Pfirsiche stammen ursprünglich aus China und kamen über Persien nach Europa. In Ungarn fanden sie im kontinentalen Klima eine neue Heimat und entwickelten sich zu einer wichtigen Obstart.
Diese fünf Obstklassiker sind mehr als nur Früchte; sie sind ein Ausdruck der ungarischen Natur, ihrer Traditionen und ihrer Lebensfreude. Sie bereichern die Küche mit ihren Aromen und sind ein süßer Beweis für die Vielfalt, die das Land an der Donau zu bieten hat.