Die Republik Moldau, oft als Weinland bekannt, birgt in ihrem Herzen ein landschaftliches und kulturelles Juwel von europäischem Rang: den archäologischen Komplex Orheiul Vechi (Altes Orhei). Dieser Ort, etwa 60 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Chișinău gelegen, ist weit mehr als nur ein Naturpark. Er ist ein offenes Geschichtsbuch, in dem sich die Spuren verschiedener Zivilisationen und eine atemberaubende Landschaft zu einem einzigartigen Erlebnis vereinen.
Eine Schlucht als Zeitzeuge
Das Herzstück von Orheiul Vechi ist die malerische Schlucht des Flusses Răut, der sich hier in dramatischen Mäandern durch das Kalksteingestein windet. Die steilen, felsigen Ufer erheben sich majestätisch über den Fluss und bilden ein beeindruckendes Panorama. Geografisch liegt der Komplex am Rande des Codru-Hochlands, was dem Gebiet seinen zerklüfteten, fast magischen Charakter verleiht.
Diese natürliche Festung bot über Jahrhunderte hinweg Schutz und war daher ein begehrter Siedlungsplatz. Hier finden sich Überreste von Befestigungsanlagen der Daker, Spuren der Goldenen Horde (eine tatarisch-mongolische Herrschaft aus dem Mittelalter) sowie Ruinen einer mittelalterlichen Stadt. Die ältesten Funde reichen dabei bis in die Altsteinzeit zurück.
Die spirituelle Faszination: Höhlenklöster im Fels
Die größte Faszination übt Orheiul Vechi durch seine Höhlenklöster aus. Ab dem 15. Jahrhundert nutzten orthodoxe Eremiten die weichen, leicht bearbeitbaren Kalksteinfelsen, um ihre Einsiedeleien und Gebetsräume direkt in die Klippen zu meißeln.
- Höhlenkomplex: Besucher können heute die Zellen, Kapellen und Gänge besichtigen, die in den Fels gehauen wurden. Die bekannteste Anlage liegt in der Nähe des Dorfes Butuceni.
- Aktive Spiritualität: Im Gegensatz zu vielen anderen Ruinen ist das Klosterleben an diesem Ort nicht gänzlich erloschen. Die Mariä-Entschlafens-Kirche, die oben auf dem Felsen thront und später errichtet wurde, ist ein aktiver spiritueller Mittelpunkt.
Der Besuch der Felsenklöster ist eine meditative Erfahrung. Man spürt die Entbehrung und Hingabe der Mönche und genießt gleichzeitig einen der schönsten Panoramablicke Moldawiens über die geschwungene Flussschlucht und die sanften, grünen Hügel.
Der Ort als Touristenmagnet und nationales Erbe
Heute ist Orheiul Vechi ein wichtiges Ziel für den Tourismus und das nationale Symbol für die Kontinuität der moldawischen Geschichte. Die Dörfer in der Umgebung, insbesondere Butuceni und Trebujeni, haben sich auf sanften Tourismus eingestellt. Sie bieten authentische Unterkünfte (Pensiuni), in denen man die traditionelle moldawische Küche probieren und die herzliche Gastfreundschaft der Einheimischen erleben kann.
Orheiul Vechi ist nicht nur eine schöne Landschaft. Es ist ein lebendiges Museum, das die Besucher tief in die Vergangenheit der Region eintauchen lässt und beweist, dass Moldau weit mehr zu bieten hat als nur exzellenten Wein. Es ist ein Ort der Stille, der Geschichte und der unberührten Natur.