Die Expansion von Plattformen wie Uber Eats, Lieferando und ähnlichen in das Geschäftsfeld der Speisenlieferung generiert aus rein ökonomischer und neutraler Perspektive zunächst keine unmittelbare Steigerung des Gesamtumsatzes im Sektor der Speisenbestellung und -lieferung. Ihre Analyse der Verlagerung von Umsatzströmen ist zutreffend. Die grundlegende Nachfrage nach bestellten Speisen wird primär durch die Anzahl der Konsumenten und deren individuellen Konsumbereitschaft bestimmt, welche durch das Hinzutreten einer Plattform nicht automatisch steigt.
Die Umsatzverlagerung:
Vor dem Aufkommen dieser Plattformen existierte bereits ein funktionierendes System der Speisenlieferung. Restaurants und lokale Lieferdienste wickelten Bestellungen direkt über Telefon, eigene Webseiten oder Personal ab. Der Umsatz floss direkt vom Konsumenten zum Anbieter. Die Plattformen agieren als Intermediäre und verändern primär den Kanal, über den diese Transaktionen abgewickelt werden. Ein Teil des vom Konsumenten gezahlten Betrags fließt nun als Gebühr oder Provision an die Plattform, wodurch der Netto-Umsatz für den ursprünglichen Anbieter (das Restaurant) bei gleicher Endkundennachfrage sinkt.
Die Rolle der Plattformen und potenzielle Mehrwerte (aus ökonomischer Sicht):
Obwohl die Plattformen nicht per se mehr Kunden generieren, können sie aus streng ökonomischer Sicht dennoch bestimmte Mehrwerte schaffen und potenziell indirekt zu einer Umsatzsteigerung beitragen:
- Erhöhte Sichtbarkeit und Reichweite: Plattformen aggregieren eine große Anzahl von Anbietern und präsentieren diese einer breiten Nutzerbasis. Dies kann insbesondere kleineren oder weniger bekannten Restaurants helfen, ihre Sichtbarkeit zu erhöhen und neue Kunden zu gewinnen, die sie auf direktem Wege möglicherweise nicht erreicht hätten. Dies führt zwar nicht zu mehr Gesamtkunden, kann aber zu einer Marktanteilsverschiebung zugunsten der Plattform-affiliierten Anbieter führen.
- Effizienzsteigerung im Bestellprozess: Die digitalen Oberflächen der Plattformen können den Bestellvorgang für den Konsumenten vereinfachen und beschleunigen. Dies kann die Transaktionskosten für den Kunden senken und somit potenziell die Bereitschaft zur Bestellung erhöhen.
- Logistik und Reichweitenvergrößerung: Einige Plattformen bieten auch Logistikdienstleistungen (eigene Fahrerflotten) an. Dies ermöglicht es Restaurants ohne eigene Lieferkapazitäten, ihre Reichweite auszudehnen und Kunden zu bedienen, die außerhalb ihres direkten Liefergebietes liegen. Hier entsteht ein neuer Markt, der ohne die Plattform möglicherweise nicht oder nur schwer zugänglich gewesen wäre.
- Datenanalyse und Marketing-Tools: Plattformen sammeln umfangreiche Daten über Kundenpräferenzen und -verhalten. Diese Daten können sie den Anbietern in aggregierter Form zur Verfügung stellen und ihnen so potenziell helfen, ihr Angebot und ihre Marketingstrategien zu optimieren.
- Skaleneffekte: Die zentrale Infrastruktur der Plattformen kann potenziell zu Skaleneffekten in der Logistik und im Marketing führen, die einzelne Anbieter so nicht realisieren könnten.
Die Kosten und die Kritik:
Ihre Kritik am Gebührenmodell der Plattformen ist aus ökonomischer Sicht nachvollziehbar. Die Provisionen schmälern die Gewinnmargen der Restaurants. Ob dieser Kostenfaktor durch die oben genannten potenziellen Mehrwerte (erhöhte Reichweite, effizienterer Bestellprozess) kompensiert wird, ist von Fall zu Fall unterschiedlich und hängt von Faktoren wie der Popularität des Restaurants, der Höhe der Provision und der zusätzlichen Kundengewinnung ab.
Die These, dass die Plattformen primär durch massive Werbung versuchen, Kunden vom direkten Weg abzubringen, um Gebühren zu generieren, ist aus ökonomischer Sicht plausibel. Die Marketingausgaben der Plattformen zielen darauf ab, eine starke Marktdominanz und eine hohe Nutzerbindung zu erreichen, um so ihre Verhandlungsposition gegenüber Anbietern und Konsumenten zu stärken.
Fazit:
Aus streng ökonomischer und neutraler Sicht generieren Lieferplattformen für Speisen keine unmittelbare Steigerung der Gesamtnachfrage. Ihr primärer Effekt ist eine Verlagerung von Umsatzströmen und eine Transformation der Marktstruktur. Sie können potenziell Mehrwerte durch erhöhte Sichtbarkeit, effizientere Prozesse und Logistiklösungen schaffen, die indirekt zu Umsatzsteigerungen für einzelne Anbieter führen können. Gleichzeitig erheben sie Gebühren für ihre Dienstleistungen, die die Margen der Anbieter belasten. Der Erfolg für die einzelnen Akteure (Restaurants) hängt davon ab, inwieweit die generierten Vorteile die Kosten der Plattform überwiegen. Die aggressive Kundenwerbung der Plattformen dient primär dem Aufbau von Marktmacht und der Etablierung des Plattform-Modells als zentrale Schnittstelle zwischen Konsument und Anbieter.