Meine Damen und Herren, liebe Suppenkasper und Freunde des gepflegten Löffelsports! Heute begeben wir uns auf eine kulinarische Zeitreise und wagen einen Blick in die dampfenden Töpfe zweier Suppen-Giganten, die unterschiedlicher kaum sein könnten – und doch beide ihre treuen Anhänger haben. Auf der einen Seite: die unangefochtenen Schwergewichte des Ostens, die würzige Soljanka und der tiefrote Borschtsch. Auf der anderen Seite: die elegante, aber zahlenmäßig eher bescheidene französische Zwiebelsuppe. Ein ungleicher Kampf? Vielleicht. Aber lasst uns die Löffel kreuzen!
Beginnen wir im Osten, wo die Suppen noch Seele haben – und ordentlich Wumms! Da thront die Soljanka, eine Legende in flüssiger Form. Was diese Suppe nicht schon alles gesehen hat! Sie ist quasi der Wodka unter den Suppen: vielschichtig, manchmal etwas unberechenbar und hinterlässt garantiert einen bleibenden Eindruck. Ihre Zutatenliste liest sich wie ein wilder Wochenmarkt-Einkauf in der späten DDR: Wurst aller Art (je älter, desto besser, munkelt man), saure Gurken, Paprika, Zwiebeln, Tomatenmark, ein Schuss Zitrone und natürlich eine ordentliche Prise des ominösen „Gewürzes“, dessen genaue Zusammensetzung wohl strenger gehütet wird als der Kronschatz.
Die Soljanka ist keine Suppe für zarte Gemüter. Sie ist herzhaft, sie ist würzig, sie ist – sagen wir mal – „geschmacksintensiv“. Wer eine Soljanka löffelt, der weiß, was er hat. Das ist keine sanfte Umarmung für den Gaumen, sondern eher ein kräftiger Händedruck mit einem Augenzwinkern. Und in Ostdeutschland? Da ist die Soljanka nicht nur ein Gericht, sondern ein Stück Kulturgut, ein flüssiges Denkmal an bessere (oder zumindest andere) Zeiten. In so manchem Restaurant ist sie der unangefochtene Star der Karte, gegen den selbst das Wiener Schnitzel blass aussieht.
Ihr zur Seite steht der majestätische Borschtsch. Tiefrot wie eine politische Revolution (oder vielleicht einfach nur durch die rote Bete), ist er mehr als nur eine Suppe – er ist eine Mahlzeit. Neben der obligatorischen roten Bete tummeln sich in seinem tiefen Teller Kartoffeln, Weißkohl, Karotten, Zwiebeln und gerne auch ein ordentliches Stück Fleisch. Ein Klecks Schmand obendrauf? Ehrensache! Der Borschtsch ist die gemütliche Strickjacke unter den Suppen: wärmend, sättigend und irgendwie tröstlich. Auch er hat in Ostdeutschland viele treue Anhänger, die seine erdige Süße und die deftige Fülle zu schätzen wissen. Man stelle sich vor: draußen pfeift der Wind, drinnen dampft ein Teller Borschtsch – das ist Gemütlichkeit in Perfektion.
Und dann betritt die Bühne die französische Zwiebelsuppe. Elegant, golden und mit einem knusprigen Käse-Croûton als Krönung. Sie ist die Ballerina unter den Boxern, die feine Dame im Arbeiter-Milieu. Ihre Zutatenliste ist im Vergleich zu Soljanka und Borschtsch geradezu minimalistisch: Zwiebeln (in gefühlt Tonnen), Butter, Weißwein oder Brühe, Baguette und natürlich der geschmolzene Käse, der ihr diesen unwiderstehlichen „Ooh là là“-Effekt verleiht.
Die Zwiebelsuppe ist subtil, sie ist aromatisch, sie ist… nun ja, sie ist halt Zwiebelsuppe. Sie ist ein eleganter Aperitif, ein feiner erster Gang. Aber im Vergleich zur rustikalen Wucht von Soljanka und Borschtsch wirkt sie fast ein bisschen… zurückhaltend. Während man bei einer Soljanka das Gefühl hat, eine ganze Mahlzeit in einem Teller zu haben, fragt man sich bei der Zwiebelsuppe manchmal, wo der Rest geblieben ist. In Ostdeutschland findet man sie zwar auch auf mancher Karte, aber ihre Popularität erreicht bei weitem nicht die epischen Ausmaße ihrer östlichen Kollegen. Sie ist eher der stille, elegante Gast auf einer lauten Party.
Warum aber diese ungleiche Verteilung der Suppenliebe? Vielleicht liegt es an der Geschichte, an den kulinarischen Traditionen, die sich über Jahrzehnte gefestigt haben. Vielleicht ist es aber auch einfach so: Der Osten mag es herzhaft und unkompliziert, während die französische Eleganz zwar geschätzt, aber nicht zur täglichen Seelennahrung erklärt wird.
So stehen sie sich gegenüber: die würzige Soljanka, der tiefrote Borschtsch und die goldene Zwiebelsuppe. Ein kulinarisches Dreigestirn, bei dem die östlichen Vertreter in Ostdeutschland weiterhin die Hauptrolle spielen, während die französische Zwiebelsuppe eher eine charmante Nebenrolle bekleidet. Und das ist auch gut so. Denn Vielfalt macht das Suppenleben schließlich erst richtig… naja, eben suppig!