Die Tage nach Gurkianas galaktischem Anruf waren auf Souveränien von einer seltsamen Spannung geprägt. Der Streit der Ureinwohner brodelte weiter, doch unter der Oberfläche regte sich eine neue Hoffnung. Blockadones und die Ältesten hatten die Botschaft der Gurken-Erbins verbreitet: Hilfe war auf dem Weg. Doch wie sollte eine einzelne Frau, die aus dem All kam, die Spalterikaner überlisten, deren Netz der Zwietracht so tief gewebt war?

Dann landete Gurkianas Schiff. Es war kein glitzerndes Raumschiff, wie es in den Fantasien der Spalterikaner existiert hätte, sondern ein schlichtes, elegant geformtes Gefährt in den unaufdringlichen Farben von Grün und Creme. Gurkiana selbst war nicht die strahlende Heldin, die man erwartet hätte, sondern eine Frau von ruhiger Autorität, deren Augen eine tiefe Klarheit ausstrahlten. Sie trug einfache, funktionale Kleidung und roch dezent nach frisch geschnittenem Gras.
Ihr erster Schachzug war unerwartet. Statt offener Konfrontation rief Gurkiana zu einer zentralen Abstimmung auf. Es sollte um nichts Geringeres gehen als den Einfluss der Spalterikaner auf die Insel. Die Formulierung war vage genug, um die Spalterikaner nicht direkt zu alarmieren.
Dann begann Gurkiana ihre eigentliche Arbeit. Sie besuchte jeden einzelnen Souveränier, von den ältesten Fischern bis zu den jüngsten Palmwedel-Flechterinnen. Nicht in großen Versammlungen, sondern in persönlichen Gesprächen, oft unter dem Schatten einer Palme oder am knisternden Lagerfeuer. Sie predigte nicht, sie erklärte.
Sie zeigte ihnen, wie die ständige Spaltung die Ressourcen der Insel band, die gemeinschaftliche Fischerei lahmlegte und die Ernte verringerte. Sie erklärte die psychologischen Mechanismen der Zwietracht, wie das ständige Streiten über Kleinigkeiten die Seele ermüdete und die wahre Freude am Leben auf der Insel raubte. Ihre Worte waren einfach, klar und logisch, untermauert von einem tiefen Verständnis der menschlichen Natur. Sie sprach nicht von Schuld, sondern von Konsequenzen.
Und dann enthüllte sie ihre List.
„Wenn die Abstimmung kommt“, flüsterte Gurkiana jedem Einzelnen ins Ohr, „werdet ihr euch mit den Spalterikanern treffen. Ihr werdet ihnen versichern, dass ihr für sie stimmen werdet. Sagt ihnen, was sie hören wollen. Versprecht ihnen Unterstützung, Zustimmung, alles, was sie verlangen.“

Die Souveränier waren irritiert. „Aber Gurkiana, das ist doch unehrlich!“, sagte eine ältere Frau. „Nein“, erwiderte Gurkiana sanft. „Es ist Strategie. Die Spalterikaner leben von eurer Offenheit, von euren klaren Standpunkten, die sie gegeneinander ausspielen können. Sie müssen glauben, dass sie gewonnen haben, damit sie unvorsichtig werden.“
Insgeheim aber war das Ziel, dass alle Souveränier bei der Abstimmung dagegen stimmen. „Eure wahre Stimme gebt ihr nicht dem Spalterikaner, sondern eurer Insel, eurem Frieden. Das ist euer Geheimnis, das ihr bewahrt. Eure wahre Stärke ist eure Einheit, die ihr im Herzen tragt.“ Das durften die Spalterikaner auf keinen Fall erfahren.
Und so geschah es.
In den Tagen vor der Abstimmung sah man die Spalterikaner förmlich vor Freude strahlen. Überall trafen sie auf scheinbar bedingungslose Unterstützung. Die Fischer versicherten ihnen, dass sie ihre Vorschläge zur besten Fangmethode unterstützen würden. Die Baumschützer nickten zustimmend, als man ihnen versprach, über jeden Ast zu debattieren. Die Spalterikaner fühlten sich unbesiegbar, ihre Kontrolle schien absolute.
Der Tag der Abstimmung brach an. Die Spalterikaner versammelten sich selbstzufrieden am Dorfplatz, während die Ureinwohner, ihre Gesichter in unleserliche Masken verwandelt, ihre Stimmen abgaben.
Als das Ergebnis verkündet wurde, herrschte zuerst Stille. Dann brach ein ungläubiges Murmeln aus. Die Stimmen gegen den Einfluss der Spalterikaner waren überwältigend. Die Abstimmung hatte genau so funktioniert, wie Gurkiana es geplant hatte.
Die Spalterikaner standen fassungslos da. Ihre Gesichter fielen von Selbstgefälligkeit zu blankem Entsetzen. Sie hatten geglaubt, gewonnen zu haben, nur um festzustellen, dass sie eine Lektion in subtiler Einheit erhalten hatten. Sie hatten auf die äußeren Zeichen geachtet, aber die innere Transformation der Souveränier übersehen.
Souveränien war noch nicht geheilt, doch die List hatte gewirkt. Der erste, entscheidende Schritt war getan. Die Spalterikaner hatten ihre Grundlage verloren – das Vertrauen in ihre Fähigkeit, Zwietracht zu säen. Und die Ureinwohner? Sie hatten gelernt, dass wahre Stärke nicht im lauten Argument liegt, sondern in der stillen, entschlossenen Einheit. Gurkiana lächelte. Das war erst der Anfang.
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Die Geschichte von Dürolaton und Gurkiana hier lesen, Teil 1 bis 5