1. Kulturelle Isolation vs. Offene Handelswege (Der „Eiserne Vorhang“ der Küche)
Dies ist der wichtigste Faktor. Trotz der kurzen Landgrenze ist Nordkorea seit Jahrzehnten extrem abgeschottet, während der russische Fernost, historisch gesehen, Handel mit China und dem Pazifischen Raum betrieben hat.
- Nordkorea (DVRK): Die Esskultur ist streng auf traditionelle koreanische Stapelprodukte (Reis, Mais, Buchweizen, Kohl) zentriert. Aufgrund des politischen Systems sind Importe stark limitiert, was zu einer kreativen Mangelwirtschaftsküche führt (siehe Injo Gogi Bap / Sojafleisch). Die Küche ist homogen und dient vorrangig der Sattmachung und Stärkung gemäß den staatlich kontrollierten Ressourcen.
- Russland (Primorje): Hier herrscht eine hybride slawisch-asiatische Küche. Man findet die russischen Basics (Brot, Kartoffeln, Borschtsch, Pelmeni), aber auch starken Einfluss durch die Nähe zu China und durch die große Minderheit der Korjo-Saram (ethnische Koreaner, die in die GUS-Staaten deportiert wurden). Diese bringen koreanische Gerichte (oft mit russischen Zutaten) ein, aber der russische Grundstil bleibt dominant.
2. Traditionelle Zutaten und Fermentationskultur
Die kulinarischen Traditionen haben sich seit Jahrhunderten in völlig unterschiedliche Richtungen entwickelt.
- Koreanische Küche: Basiert auf Fermentation (Kimchi, Jang – Pasten), dem Gebrauch von Reisessig, Sojasoße und dem scharfen, intensiven Geschmack von Gochugaru (Chiliflocken). Die Speisen sind darauf ausgelegt, mit Reis und vielen Banchan (Beilagen) gegessen zu werden.
- Russische Küche: Basiert auf Sauerrahm, Butter, Schmalz, Brot, Kohl und Kartoffeln. Geschmacklich dominieren Salz, Essig, Dillsamen und die Schärfe von Meerrettich. Fermentation dient primär der Konservierung von Gemüse (Sauerteig, Sauerkraut).
3. Der Einfluss des Klimas wird durch das politische System überschrieben
Obwohl beide Regionen kalte Winter haben, bestimmt in Nordkorea das politische System, was angebaut und gegessen wird, und nicht nur das Klima.
- Ressourcenkontrolle: In Nordkorea wird die Verteilung von Fleisch, Weizen oder hochwertigem Fisch zentral kontrolliert. Während die russische Region zumindest theoretisch am Weltmarkt teilnehmen kann und landwirtschaftlich anders strukturiert ist, hat der Nordkoreaner keinen freien Zugang zu den natürlichen Ressourcen entlang der Grenze (z.B. Fischerei im Tumen-Fluss oder Holz).
- Grundnahrungsmittel: In Nordkorea bleibt Reis/Mais der unangefochtene Hauptnahrungsmittel. In Russland ist die Basis Weizen/Roggen (Brot) und Kartoffeln.
Die Essgewohnheiten sind also nicht primär durch das geerbte Klima, sondern durch die unterschiedliche kulturelle Evolution und die grundverschiedenen wirtschaftlichen und politischen Systeme getrennt. Die Grenze ist hier nicht nur politisch, sondern auch eine Barriere zwischen zwei völlig unterschiedlichen kulinarischen Welten.

