Liebe Freunde des gepflegten Rostlochs und Bewunderer automobiler Improvisationskunst, heute tauchen wir ein in eine Ära, in der die Beschaffung eines simplen Blinkers für einen Westimport-PKW in der Deutschen Demokratischen Republik einer Mischung aus Spionagefilm, Lotterie und dem Finden der Nadel im Heuhaufen ähnelte. Speziell der heiß begehrte VW Golf 1, dieses schnittige Stück westlicher Ingenieurskunst, stellte die findigen DDR-Bürger vor Herausforderungen, die heutzutage selbst den größten Teilehändler ins Schwitzen bringen würden.
Stellen wir uns vor: Genosse Heinz-Dieter, stolzer Besitzer eines gebrauchten Golf 1 (irgendwie, irgendwoher auf wundersamen Wegen ins Land gekommen), bemerkt auf dem Weg zur Brigadefeier, dass sein linker Blinker den Geist aufgegeben hat. Eine Kleinigkeit, denkt man im Westen. Ein Anruf beim Teilehändler, ein kurzer Besuch, Problem gelöst. In der DDR hingegen begann nun eine Odyssee, die Heinz-Dieter durch die hintersten Garagenhöfe, zu geheimnisvollen Schraubern und vielleicht sogar in Kontakt mit dubiosen Gestalten an der Transitstrecke führen konnte.
Die offizielle Ersatzteilversorgung für Westimporte war, sagen wir mal, „übersichtlich“. Sie existierte quasi nicht. Der sozialistische Plan sah vor, dass der werktätige Mensch mit Trabant oder Wartburg glücklich zu sein hatte. Westliche Dekadenz auf Rädern war zwar irgendwie im Lande, aber deren Wartung fiel in die Kategorie „kapitalistischer Luxusbedarf“.
Also musste Heinz-Dieter kreativ werden. Plan A: Der „Vitamin B“-Weg. Über Beziehungen, über den Onkel, dessen Schwager beim VEB IFA-Kombinat arbeitete und vielleicht einen Kumpel hatte, dessen Nachbar… nun ja, Sie verstehen das Prinzip. Informationen flossen wie zähflüssiger Honig, und die Wahrscheinlichkeit, das gesuchte Teil zu finden, hing stark vom persönlichen Netzwerk ab. Ein Blinker konnte so zum Statussymbol avancieren, begehrter als West-Jeans und Beatles-Platten zusammen.
Plan B: Die Improvisation. Der findige DDR-Bürger war ein Meister der Anpassung. Passte vielleicht ein Blinker vom Trabant mit etwas gutem Willen, Tesafilm und drei Lagen Pappe? Konnte man das zerbrochene Glas nicht irgendwie mit roter Folie und Klebstoff reparieren? „Geht nicht, gibt’s nicht“ war die Devise, und so sah man mitunter wahre Frankenstein-Mobile auf den Straßen, deren Ersatzteile eine abenteuerliche Patchwork-Geschichte erzählten.
Plan C: Die „Organisations“-Schiene. Hier betraten wir die Grauzone, in der findige „Organisatoren“ (im Volksmund oft weniger schmeichelhaft betitelt) Westteile auf abenteuerlichen Wegen ins Land brachten. Die Transitstrecke zur BRD war eine Goldgrube für jene, die risikobereit und gut vernetzt waren. Hier wechselten Zündkerzen, Ölfilter und eben auch Blinker unter der Hand den Besitzer – zu Preisen, die den Wert des eigentlichen Golfs schnell übersteigen konnten. Die Gefahr, dabei von den wachsamen Augen der Grenztruppen oder der Stasi erwischt zu werden, schwebte natürlich immer mit.
Plan D: Der „Selbstbau“. Wer handwerklich begabt war, versuchte sein Glück auch mal mit Eigenkreationen. Ein Stück Plexiglas zurechtgeschnitten, mit roter Farbe besprüht und irgendwie am Kotflügel befestigt – fertig war der „sozialistische Blinker Marke Eigenbau“. Die Funktionalität war oft fragwürdig, aber Hauptsache, es blinkte irgendwie.
Und so wurde die Ersatzteilbeschaffung für Westimporte wie den Golf 1 in der DDR zu einer abenteuerlichen Mischung aus Detektivarbeit, Improvisationstalent und dem unerschütterlichen Willen, das geliebte Westblech am Laufen zu halten. Jeder reparierte Golf 1 erzählte eine Geschichte von Findigkeit, Beharrlichkeit und dem stillen Triumph des Einzelnen über die Planwirtschaft. Manchmal hatte man das Gefühl, dass diese Autos nicht nur fuhren, sondern auch eine ganz eigene Seele besaßen – geformt durch die Mühen ihrer Besitzer und die Kreativität der Notwendigkeit. Die Ersatzteilsuche war kein Spaziergang, aber sie schweißte die Golf-1-Gemeinschaft der DDR auf ganz besondere Weise zusammen.