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Coworking Spaces boomen. Überall sprießen sie aus dem Boden, versprechen Flexibilität, Community und den perfekten Nährboden für innovative Ideen. Betreiber malen in Hochglanzbroschüren und auf hippen Webseiten das Bild einer dynamischen Szene, in der Start-ups gedeihen und die Zukunft der Arbeit neu erfunden wird. Doch wirft man einen realistischen Blick auf die Nutzer und die tatsächliche Wertschöpfung in diesen trendigen Bürogemeinschaften, so offenbart sich mitunter ein etwas nüchterneres Bild.

Es ist unbestreitbar, dass Coworking Spaces eine attraktive Alternative zum klassischen Büro darstellen können – insbesondere für Freelancer, digitale Nomaden und kleinere Teams. Die Flexibilität, die Möglichkeit zum Austausch und die oft inspirierende Atmosphäre sind durchaus Pluspunkte. Doch die oft beschworene „Dynamik“ des Segments, die suggeriert, hier entstünde eine neue industrielle Revolution aus hippen Laptops und Latte Macchiato, hält einer kritischen Betrachtung nicht immer stand.

Die Realität hinter der Hochglanzfassade:

Ein genauerer Blick auf die Nutzer vieler Coworking Spaces offenbart oft ein Bild, das von der Vision des nächsten Unicorn-Start-ups doch merklich abweicht:

  • Junge Absolventen mit Luftschlössern: Ein signifikanter Teil der Coworking-Community besteht aus jungen Absolventen, die mit viel Enthusiasmus und ambitionierten Ideen in die Selbstständigkeit starten. Doch nicht selten bleiben diese Ideen im Stadium von „Luftschlössern“ verhaftet. Die Umsetzung in tragfähige Geschäftsmodelle und die Generierung echter Umsätze erweisen sich oft als größere Herausforderung als das Verfassen eines Businessplans auf dem stylischen Stehtisch.
  • Freelancer und Solopreneure: Ein weiterer großer Anteil sind Freelancer und Solopreneure aus unterschiedlichsten Branchen. Während sie die Flexibilität und die Community schätzen, findet hier in der Regel keine gebündelte, unternehmerische Produktion im klassischen Sinne statt. Jeder arbeitet primär an seinen eigenen Projekten.
  • Satellitenbüros großer Unternehmen: Auch größere Unternehmen nutzen Coworking Spaces gerne für temporäre Projekte oder als Satellitenbüros für einzelne Mitarbeiter. Hier findet zwar „Arbeit“ statt, aber selten die Keimzelle für bahnbrechende Innovationen oder neue Unternehmensgründungen.
  • Der „Lifestyle“-Faktor: Für manche Nutzer ist der Coworking Space auch ein Lifestyle-Statement. Es ist „cool“, in einem solchen Umfeld zu arbeiten, auch wenn die tatsächliche Produktivität oder der geschäftliche Erfolg vielleicht hinter den Erwartungen zurückbleiben.

Wo bleibt die echte Produktion?

Die Kernfrage ist: Wo findet in diesem oft hochgelobten Segment die eigentliche, substanzielle Produktion statt, die über individuelle Dienstleistungen oder das Brainstorming von Ideen hinausgeht? Echte Produktion erfordert in der Regel:

  • Die Entwicklung und Herstellung von physischen oder digitalen Produkten.
  • Die Schaffung von nachhaltigen Geschäftsmodellen mit signifikantem Umsatz und Wachstum.
  • Die Schaffung von Arbeitsplätzen im größeren Umfang.

Während Coworking Spaces zweifellos einen Beitrag zur Förderung von Unternehmertum leisten können, ist die Realität oft, dass viele der hier ansässigen „Unternehmen“ Kleinstunternehmen bleiben oder nach einer anfänglichen Euphorie wieder verschwinden. Die große Dynamik, die von Betreibern gerne betont wird, könnte sich somit eher auf die Fluktuation der Mieter als auf die Entstehung wirklich disruptiver oder wachstumsstarker Unternehmen beziehen.

Die Gefahr der Selbsttäuschung:

Es besteht die Gefahr einer gewissen Selbsttäuschung in der Coworking-Blase. Die Betreiber sind naturgemäß daran interessiert, das Wachstum und die Attraktivität ihres Segments hervorzuheben. Die Nutzer wiederum genießen die Freiheit und die inspirierende Umgebung. Doch der kritische Blick auf die tatsächliche wirtschaftliche Output und die Nachhaltigkeit der hier „brütenden“ Geschäftsmodelle bleibt oft aus.

Fazit: Ein differenzierter Blick ist gefragt:

Coworking Spaces haben ihre Berechtigung und bieten zweifellos Vorteile für bestimmte Arbeitsmodelle. Sie können ein wichtiger Baustein in einer flexibleren Arbeitswelt sein. Doch die oft unkritisch propagierte „Dynamik“ des Segments und die Vorstellung, hier würden reihenweise die nächsten Google oder Tesla entstehen, bedarf einer realistischen Einordnung.

Die Realität ist oft, dass Coworking Spaces eher eine Zwischenstation für junge Talente mit viel Potenzial sind, von denen ein Teil den Sprung zu echten, produzierenden Unternehmen schafft – während ein anderer Teil in der Freelance-Welt bleibt oder sich wieder in Festanstellungen orientiert. Die „Dynamik“ mag vorhanden sein, aber sie ist oft eher eine des Kommens und Gehens als die einer kontinuierlichen, substanziellen Unternehmensentwicklung. Es ist an der Zeit, die Hochglanzbilder mit einem kritischen Blick zu hinterfragen und die tatsächliche Wertschöpfung in diesem spannenden, aber eben auch nicht unkritischen Segment realistisch zu bewerten.