Der Blätterteig ist der Prima Ballerina unter den Basisteigen: elegant, anspruchsvoll und unfassbar vielschichtig. Er ist das Fundament der knusprigsten Backwaren, aber auch der Grund, warum viele Hobbybäcker heimlich zum Fertigprodukt greifen. Denn seine Zubereitung, das sogenannte Tourieren, ist weniger ein Backvorgang als eine architektonische Meisterleistung, die Geduld und kühle Nerven erfordert.
Der Blätterteig beweist: Weniger ist nicht immer mehr – in diesem Fall sind Hunderte von Fettschichten das Geheimnis des Glücks.
Der Mythos und die Methode: Was Blätterteig so besonders macht
Der Blätterteig ist kein Teig im herkömmlichen Sinne, sondern eine Laminierung aus Teigschichten (Détrempe) und Fettschichten (Tourierbutter).
- Die Entstehung: Es ist umstritten, wer den Blätterteig erfand. Eine beliebte Legende schreibt ihn dem französischen Maler Claude Lorrain im 17. Jahrhundert zu, der als Bäckerlehrling ein einfaches Brot für seinen kranken Vater kreieren wollte. Er vergaß, das Fett unter den Teig zu mischen, und rollte es stattdessen ein. Das Ergebnis war eine Revolution in der Backstube.
- Die Wissenschaft der Schichten: Das Geheimnis liegt im Garen. Beim Backen verdampft das Wasser im Teig und im Fett. Da die Fettschichten das Entweichen des Wasserdampfes blockieren, bläht sich jede einzelne Teigschicht auf. Bei perfektem Tourieren entstehen hunderte hauchdünne, separate Schichten, die für die charakteristische Knusprigkeit sorgen.
Das Handwerk: Die Tourier-Methode
Tourieren bedeutet, den Teig mit der Butterplatte auszurollen, zu falten und diesen Vorgang mehrmals zu wiederholen. Man spricht dabei von einfachen oder doppelten Touren.
- Die „Einfache Tour“: Der Teig wird in drei Teile gefaltet (wie ein Geschäftsbrief).
- Die „Doppelte Tour“: Der Teig wird von beiden Enden zur Mitte gefaltet, dann noch einmal zusammengeklappt.
Meist sind vier bis sechs Touren nötig. Der Witz dabei: Zwischen jeder Tour muss der Teig mindestens 30 Minuten in den Kühlschrank. („Ich wollte ja heute Blätterteig machen, aber dann habe ich gemerkt, dass mein Leben einfach nicht genug ungeplante, halbstündige Pausen hat.“)
Rezept: Der klassische Blätterteig (Pâte Feuilletée)
Das Wichtigste beim Blätterteig ist die Temperatur. Butter muss kalt, aber formbar sein.
Zutaten
- 250 g Weizenmehl (Type 405 oder 550)
- 125 ml eiskaltes Wasser
- 5 g Salz
- 250 g kalte Butter (ideal: Spezialbutter zum Tourieren)
- Etwas Mehl zum Arbeiten
Zubereitung (mit vier einfachen Touren)
- Teig (Détrempe) herstellen: Mehl, Wasser und Salz nur kurz verkneten, bis ein glatter, fester Teig entsteht (nicht zu lange kneten!). Den Teig zu einer Kugel formen, kreuzförmig einschneiden und 30 Minuten im Kühlschrank ruhen lassen.
- Butter vorbereiten: Die kalte Butter zwischen zwei Backpapieren zu einem Quadrat von etwa 15×15 cm ausrollen. Ebenfalls kühlen.
- Die erste Tour (Einbetten): Rollen Sie den Teig kreuzförmig aus, sodass in der Mitte ein Quadrat entsteht, das größer ist als die Butter. Legen Sie die Butter schräg auf das Teigquadrat. Schlagen Sie die Teigecken über die Butter, sodass diese vollständig bedeckt ist.
- Die Touren:
- Rollen Sie das Paket vorsichtig zu einem langen Rechteck aus.
- 1. Tour (Einfache): Falten Sie das Rechteck in Dritteln (wie einen Brief). Das ergibt drei Schichten Teig und zwei Schichten Butter. 30 Minuten kühlen!
- Wiederholen Sie das Ausrollen und die Faltung der Einfachen Tour insgesamt drei weitere Male.
- Fertigstellen: Nach der letzten Kühlung ist der Teig bereit zur Verarbeitung. Er sollte eine Dicke von ca. 3 mm haben. Wenn Sie ihn jetzt perfekt hinbekommen haben, könnten Sie eigentlich auch gleich eine Bewerbung als Mikroskopiker abschicken.
Typische Anwendungsbeispiele
Der Blätterteig ist für alles da, was knusprig, leicht und schichtweise genossen werden soll:
| Süße Anwendung | Herzhafte Anwendung | Mein persönliches (ironisches) Lieblings-Experiment |
| Cremeschnitten (Mille-feuille): Der Klassiker aus drei Schichten Blätterteig und Vanillecreme. | Pasteten-Deckel: Für die berühmte Beef Wellington oder Pasteten, bei denen die Kruste glänzend aufgeht. | Der Blätterteig-Ziegel: Ich nehme einen halben Kilo Blätterteig, backe ihn und serviere ihn pur als architektonische Hommage an die Mühsal des Tourierens. |
| Apfeltaschen/Fruchttaschen: Gefüllt mit Kompott und in Zucker gewendet. | Quiches und Tartes: Als schnelle, krosse Basis für Spinat- oder Lauchfüllungen. | „Warten auf Godot“-Rolle: Eine einfache Schnecke mit Zimt und Zucker, die daran erinnert, dass man 3 Stunden mit Warten verbracht hat. |
| Palmiers (Schweineohren): In Zucker gerollter Blätterteig, der die Textur von Zuckerwatte im Mund erzeugt. | Käse-Laugenstangen: Mit Käse und Schinken belegte oder gefüllte Stangen. | Die „Ich-mache-einen-Salat“-Tarte: Eine Tarte mit Blätterteigboden, die mit nichts gefüllt wird, um zu zeigen, dass der Boden der wahre Star ist. |

