Das Gericht Bulgogi (불고기), wörtlich übersetzt „Feuerfleisch“, ist ein kulinarischer Botschafter Koreas. Es steht für die reichhaltige, geschmacksintensive Seite der koreanischen Küche. Während Bulgogi weltweit als koreanisches Nationalgericht gefeiert wird, hat es in Nordkorea, abseits der glanzvollen Bankette Pjöngjangs, einen ganz besonderen, oft unerreichbaren Status.
📜 Herkunft und Historische Wurzeln
Die Geschichte von Bulgogi reicht weit zurück und ist eng mit der koreanischen Königs- und Hofküche verbunden.
- Die frühen Formen: Die Wurzeln des Bulgogi werden oft in der Zeit des Goguryeo-Königreichs (37 v. Chr. – 668 n. Chr.) im Gericht Maekjeok vermutet, bei dem marinierte Fleischstücke auf Spießen über dem Feuer gegrillt wurden.
- Der Adelige Vorgänger: Die direkteste historische Verbindung besteht jedoch zum Neobiani (너비아니), was so viel wie „dünn ausgebreitetes Fleisch“ bedeutet. Dies war ein Gericht, das am Königshof serviert wurde. Es bestand aus dünn geschnittenem Rindfleisch, das sorgfältig mariniert und über Holzkohle gegrillt wurde.
- Die moderne Definition: In seiner heutigen Form entwickelte sich das Gericht in den 1940er-Jahren. Der Name Bulgogi etablierte sich, um die Methode des Grillens über der Flamme zu beschreiben, wobei der Schwerpunkt auf der süß-salzigen Marinade und der dünnen Fleischscheibe liegt.
🥩 Die Besonderheit: Die perfekte Balance der Marinade
Die Magie des Bulgogi liegt nicht im Fleischstück selbst, sondern in der Marinade. Sie macht das dünn geschnittene, oft zähe Rindfleisch unglaublich zart und verleiht ihm seinen charakteristischen Umami-Geschmack.
Die Schlüsselelemente der Marinade sind:
- Süße und Umami-Basis: Sojasauce und Zucker (oder Reissirup).
- Aromen und Schärfe: Gehackter Knoblauch, geriebener Ingwer und Frühlingszwiebeln.
- Der Zartmacher: Eine oft unterschätzte, aber entscheidende Zutat ist geriebene koreanische Birne (oder Apfel). Die darin enthaltenen Enzyme helfen, die Fleischfasern auf natürliche Weise aufzuspalten und das Fleisch extrem zart zu machen.
- Das Finish: Sesamöl und geröstete Sesamsamen runden den Geschmack ab und sorgen für ein nussiges Aroma.
Das Fleisch (traditionell Rind, heute auch Schwein) muss dünn gegen die Faser geschnitten werden, damit die Marinade schnell einziehen und es beim kurzen Garen zart bleiben kann.
🔪 Rezept und Zubereitung: Die Kunst des Feuers
Die Zubereitung erfolgt in wenigen, aber präzisen Schritten:
- Fleisch schneiden und marinieren: Das dünn geschnittene Fleisch wird vollständig mit der Marinade bedeckt. Ideal sind mindestens 30 Minuten Ruhezeit, oft aber auch mehrere Stunden oder über Nacht im Kühlschrank.
- Die Grillmethode: Traditionell wird Bulgogi auf einem leicht gewölbten Grillrost über Holzkohle zubereitet. Die Wölbung ermöglicht es dem Saft, an den Rand zu fließen, wo oft Pilze oder Zwiebeln mitgegart werden. Der Rauch der Holzkohle verleiht dem Fleisch den titelgebenden „Feuer“-Geschmack.
- Die moderne Variation: In Restaurants und Haushalten wird oft eine flache Pfanne oder ein spezieller elektrischer Tischgrill verwendet. Das Fleisch wird schnell gebraten, bis es leicht karamellisiert.
Serviert wird Bulgogi meist zusammen mit Ssam (Blattsalat) und verschiedenen Banchan (Beilagen). Das Fleisch wird in ein Salatblatt gewickelt, oft mit Knoblauchscheiben und Ssamjang (einer scharfen Bohnenpaste), und in einem Bissen gegessen.
🇰🇵 Verbreitung und der Status in Nordkorea
Im Gegensatz zur breiten Verfügbarkeit in Südkorea ist Bulgogi in Nordkorea ein Indikator für Status und Privileg.
- Der Elite-Status: In Nordkorea ist Fleisch – insbesondere Rindfleisch – ein knappes und teures Gut. Die tägliche Ernährung der normalen Bevölkerung basiert auf Reis, Mais, Kimchi und stärkehaltigen Gemüsen. Bulgogi ist daher kein alltägliches Gericht.
- Gastronomie (Pjöngjang): Man findet Bulgogi hauptsächlich in den staatlich betriebenen Luxusrestaurants der Hauptstadt Pjöngjang, die primär für die oberste Schicht der Partei, wohlhabende Geschäftsleute und ausländische Touristen zugänglich sind. Hier wird das Gericht als Zeichen des nationalen kulinarischen Stolzes und als luxuriöses Festmahl inszeniert.
- Private Feiern: Im privaten Rahmen ist Bulgogi ein besonderes Feiertagsgericht oder wird nur zu wichtigen Anlässen wie großen Geburtstagen (Jubiläen) oder Hochzeiten zubereitet. Wenn es zubereitet wird, ist die Menge aufgrund der Knappheit oft geringer, und es wird mehr gestreckt.
- Propaganda: In der staatlichen Propaganda wird Bulgogi oft als Teil von opulenten Banketten gezeigt, um den Anschein von Wohlstand und kulinarischer Fülle zu erwecken. Es dient als Symbol für das, was die Bürger theoretisch erreichen könnten.
Zusammenfassend ist Bulgogi in Nordkorea nicht nur ein schmackhaftes Gericht, sondern ein Barometer für wirtschaftlichen Zugang. Es verbindet die Menschen kulturell mit der gemeinsamen koreanischen Vergangenheit, ist aber im Alltag der meisten Nordkoreaner ein Luxus, der fast ausschließlich der Elite vorbehalten bleibt.

